Mit Barcelona waren meine letzten Tage in Spanien angebrochen. Bevor ich das Baskenland, Andorra und Katalonien allerdings komplett hinter mir lassen konnte, mussten noch einige Hindernisse überwunden werden.
ANMERKUNG: Meine erste Woche Italien war und ist ziemlich ereignisreich gewesen, weswegen ich nicht wirklich zum Schreiben gekommen bin. Ich versuche jetzt, wo es etwas ruhiger ist ein bisschen was nachzuholen. Das kann besonders bei den Blogeinträgen zu Fiumicino und Rom zu einer etwas gerafften Darstellung führen. Ich hoffe ihr nehmt's mir nicht krumm ;). Los gehts erst einmal mit dem letzten Stück Spanien.
Florestal
Wie schon gesagt war ich am frühen Abend in Florestal angekommen. Der Stellplatz war eigentlich eine leicht geschotterte Wendemöglichkeit für die Fahrzeuge, die die knackenge 400 Meter lange Zufahrt hinter sich gebracht haben. Auch wenn der Platz ausreichend dimensioniert war fand ichs ein bisschen unverschämt hier länger als eine Nacht zu stehen. Außerdem war das Wäscheproblem noch nicht geklärt; und als ich sah, wie weit der Weg zur nächsten Metrostation respektive zum nächsten Waschsalon war musste ich am nächsten Tag einfach weiter.

Gleich am Abend legte ich mir einen Ersatzplan für den nächsten Tag zurecht. Granollers, eine Stadt in der Metropolregion und ca. 20 Autominuten von Barcelona entfernt hatte 2016 einen nagelneuen Stellplatz bekommen, der in der App entdemsprechend beworben wurde. Die Verbindung ins Zentrum sollte mit der R-Linie (vergleichbar mit der RER in Paris, sind einfache Züge, die auch im Untergrund fahren) gut erreichbar sein. Außerdem gab es hier Supermarkt und Waschsalon in Laufweite. Perfekt.
Die Nacht war trotz vorsorglich kaltgestellter Getränkte kaum zu ertragen, es war unglaublich schwül im Auto und hatte Nachts um 3 immernoch 28 Grad. Dementsprechend verfiehl ich eher in einen Dämmerschlaf als richtig zu regenerieren. Außerdem hielten mich konstantes Hundgebell und in den frühen Morgenstunden ein paar freilaufende Wildschweine davon ab tief einzuschlummern. Die Wildschweine haben sich extrem lautstark angekündigt, ich habe mit einer ganzen Horde gerechnet. Gesehen habe ich allerdings nur zwei, und die waren auch noch relativ klein. Haben sich ein bisschen an HORAs Reifen geschuppert und sind dann weitergezogen.
Morgens habe ich noch einmal geduscht um einigermaßen fit zu werden und die 35 Kilometer nach Granollers sicher hinter mich zu bringen. Zum Glück kam mir die Serpentinenstraße kein Bus entgegen; hier führt eine Linie entlang und ich hätte ehrlicherweise nicht gewusst, wie ich das gemanagt bekommen hätte.
Neue Bleibe
Der Stellplatz in Granollers war einfach zu finden und wartete mit Wasser- und Abwasserversorgung auf. Leider waren die gepflanzten Bäume noch etwas sehr klein, deswegen gabs keinerlei Schattenspender. Also wurde der Innenraum von HORA soweit es geht gegen die Sonne abgeschirmt und auf gings zum Waschsalon.
In der Wasch- und Trockenzeit habe ich dann noch ein bisschen Reisebericht geschrieben. Als die Geschichte durch war wars schon wieder halb 2, und eigentlich wollte ich ja heute noch die Fährsache klären. Also fix zum Bahnhof geradelt und eine Karte zum Passeig de Gràcia gelöst.
Nachmittagstrip nach Barcelona
Neben La Rambla ist das der Prachtboulevard von Barcelona. Ziemlich viele Ausländer war hier unterwegs, man hörte einiges an Französisch, viel Englisch und auch ein bisschen Deutsch. Barcelona als die Hauptstadt Kataloniens muss ihren Sonderstatus natürlich ein bisschen betonen und dementsprechend viel katalonische Restaurants und Referenzen sieht man.

Bin einmal quer durch die Altstadt und habe mir alles, was ich für wichtig hielt ein bisschen angesehen. Mein Primärziel war aber immernoch das Grimaldi-Terminal, also habe ich mich nirgends zu lange aufgehalten. Bald war ich auch schon am Hafen und konnte einen ersten Blick aufs Mittelmeer werfen. Die paar Wochen in den Bergen waren sehr schön, aber ich glaube ich bin eher der Meer-Typ. Wie schön, dass man hier in Spanien beides in fast unmittelbarer Nähe hat. Apropos, auf meinem Weg nach Barcelona bin ich natürlich auch am Montserrat vorbeigefahren, das habe ich das letzte Mal gar nicht erwähnt. War schon sehr beeindruckend, aber ich wollte weiter weil ich mir bei meinem Standort nicht sicher war und habe deswegen nicht angehalten um Bilder zu machen.


Die letzten drei Kilometer bis zum Terminal waren auf Grund der Gluthitze des Nachmittags nicht besonders angenehm zu laufen, ständig musste man entlang der breiten Zufahrtsstraßen gehen. Allerdings konnte ich schon Mal sehen, dass das Terminal mit dem Auto relativ easy zu erreichen war. Im Internet habe ich was anderes gelesen, aber wenn auf diese Schiff auch massenweise LKWs drauf müssen dann kann es ja nicht im hintersten Winkel sein...

Am Schalter wurde mir die ganze Prozedur dann geduldig erklärt, es war sowieso fast nichts los. Man fährt hin, stellt sich auf den Parkplatz hinterm Terminal der um 6 Uhr abends aufmacht, checkt mit seinem Online-Ticket (Barcode-PDF in einer E-Mail) ein, bekommt eine Boardcard für sich und für sein Autolein und wartet bis man von den Einweisern auf die Fähre geschicht wird. Das sollte ab 20.30 passieren, ablegen sollten wir um 22.15. Soweit so übersichtlich. Außerdem durfte ich soviel zu Essen und zu Trinken mit aufs Schiff nehmen wie ich wollte (aufs Fährdeck darf man während der Fahrt nicht), das klang auch gut. In den englischen FAQ hat sich das wesentlich komplizierter angehört. Naja, froh war ich trotzdem, dass ich nachgehakt hatte und spazierte auf dem Rückweg zum Passeig nochmal über die Rambla.


Planänderung
Die Nacht war zwar auch warm, auch nicht so drückend wie in la Florestal. Das Problem waren hier eher die Geräuschkulisse, die mich davon abhielt, sorgenfrei einzuschlafen. Ab Einbruch der Dämmerung hörte man die Alarmanlagen von verschiedenen Autos mehr oder weniger in Dauerschleife. Auch die Polizeisirenen sprangen alle viertel Stunde an und fuhren durch die Nacht, wenn auch nicht unmittelbar an mir vorbei. Dar bereitete mir schon Kopfzerbrechen. Ich habe vor meinem Reiseantritt mich versucht, man allen möglichen "Horrorszenarien" auseinanderzusetzen; eines davon beinhaltete natürlich das Aufbrechen von HORA. War für mich eigentlich eines meiner kleineren Probleme, im schlimmsten Fall wäre ein Sachschaden von wenigen Hundert Euro entstanden und ich hätte wohl erst einmal keine Reiseberichte mehr schreiben können. Aber so kurz vor dem Übersetzen in ein anderes Land und der Verpflichtung, diese Fähre zu nehmen (hab zwar eine Rücktrittsversicherung bei Krankheit abgeschlossen, aber dass das Auto evtl. kaputt geht kann man nicht absichern) wurde es mir dann doch ein bisschen heikel. Am nächsten Tag habe ich Laura davon erzählt, und als sie mir dann ihre "Diebesgeschichte" erzählte (ihr wurden in Barcelona alle ihre Sachen aus dem Andorra-Shuttlebus geklaut) hatte ich keine Lust mehr, HORA allein zu lassen. Die Campingplätze waren meistens voll und für zwei Tage fand ich das dann auch übertrieben.

Also entschied ich mich dazu, auch am Dienstag erst einmal abszuwarten und Eistee zu trinken. Barcelona konnte ich mir ja — jetzt, wo ich jemanden kenne, der da studiert — immernoch später einmal ansehen. Ich vertrieb mir die Zeit mit Lesen (Online-Zeitungen, da die Bücher durch sind...), Serien gucken, Reisebericht schreiben und HORA sauber machen.
Am Mittwoch konnte ich zwar wegen der Hitze nicht viel vorschlafen, traf aber die letzten Vorbereitungen für die Überfahrt. Am liebsten hätte ich HORA irgendwie abgeschmiert, um sie ein bisschen hochseetauglicher zu machen. Stattdessen begnügte ich mich damit, ein letztes Mal zu duschen, dann mein Wassersystem trocken zu legen (Kanister ausleeren bzw. zumachen), die Gaszufuhr abzudrehen und alles möglichst stoßsicher zu positionieren. Als Proviant hatte ich mir zwie große Käse-Schinken Sandwiches mit spanischem Gemüse gemacht. Die Gurke (eine Art übergroße Gewürzgurke, aber nicht eingelegt) war nicht so der Hammer, aber die grüne Tomate für die ich mich entschieden hatte war unglaublich lecker. In Bamberg habe ich nie in großen Supermärkten eingekauft, deswegen weiß ich nicht ob es grüne Tomaten auch in Deutschland gibt. Falls ja, werde ich mich wohl wenn ich zurück komme nur noch davon ernähren. Sowas aromatisches habe ich nicht erwartet gehabt; Salz, Pfeffer oder andere Gewürze braucht man für die Dinger nicht, kann man einfach so essen, sind günstig und riesig. Blöd, dass ich die natürlich am letzten Tag erst entdecken musste. Naja, so ist das halt.
In Kombination mit zwei Orangen und einer großen Cola-Flasche gegen die Müdigkeit sollten sie mich die 20-stündige Überfahrt überstehen lassen. Außerdem hatte ich ja noch ein Frühstück gebucht, alles super also.
Die Odyssee vor der Überfahrt
Mein Navi hatte zwar souverän nach Granollers gefunden, der Weg nach Barcelona war aber wohl in einem sponaten Alzheimer-Anflug der Schaltkreise verloren gegangen... Gutes Zureden und zwei Extrarunden auf der Hauptstraße in Granollers halfen leider nicht viel, also musste ich nach 15 Minuten noch einmal von vorne Anfangen. (Normalerweise fängt es sich wieder, wenn man auf großen Straßen lange in eine Richtung fährt, kann dann die Position mit dem Kartenmaterial besser abgleichen.) Ich fuhr zu meiner Hasszeit, im barcelonischen Feierabendverkehr in das wie schon angedeutet etwas verwirrende Schnellstraßensystem der Metropolregion. Aber die Spanier sind, auch wenn sie für deutsche Verhältnisse impulsiv fahren doch sehr rücksichtsvolle Menschen. Das bestätigt sich jetzt in der Retrospektive und nach meinen Erfahrungen in Italien umso mehr, aber dazu später. Trotzdem war ich natürlich angespannt, das letzte Stück auf spanischem Boden sollte natürlich erst recht nichts mehr passieren. Im zähflüssigen Verkehr landete ich nach einer Stunde heil am Terminal und konnte auch fast sofort auf den Parkplatz fahren und einchecken. Geschafft!
Dann ging die Warterei los. Die zweieinhalb Stunden vertrieb ich mir mit dem Konsum meiner letzten Vorräte (ein eher hartes Baguette), dem Fotografieren des falschen Schiffes (die Cargo-Fähre von Grimaldi) und dem Inspizieren der anderen Kastenwagen bzw. Wohnmobile und deren Besitzer. Wie zu erwarten waren die meisten Spanier oder Italiener, es gab aber auch viele Marokkaner und ein paar Briten unter den Wartenden. Um acht legte die Cruise Roma an und um halb neun begann das Boarding — der ca. 250 Neuwagen, die neben uns geparkt waren. Mh. Nach einer weiteren Stunde kamen dann auch noch LKWs dazu, und als um 22 Uhr viele der Neuwagen wieder zurückgefahren wurden und die Einweiser langsam hektisch wurden war klar, dass irgendwas ziemlich schief gelaufen war. Zwischenzeitlich wurden wir (die Kastenwagen) mal umgeparkt, aber mehr ging nicht vorwärts. Nachdem wir hätten eigentlich schon hätten ablegen müssen und immernoch kein einziges der vielleicht 90 Privatfahrzeuge verladen war starteten die Spanier ein kleines Hupkonzert, was wiederum zu lauten Auseinandersetzungen mit den Hafenarbeitern führte. Ich war auch schon eher angenervt, weil ich vom Tag doch ziemlich abgespannt war und Hochpräzisionsparken nicht um Mitternacht betreiben wollte. Trotzdem tat der Marokkaner hinter mir wohl das einzig richtige in der Situation. Er schickte seine Frau und seine Kinder durch die Personenschleuse aufs Schiff und legte sich selbst eine Runde schlafen.

Dann um Elf konnte es endlich losgehen. Genervte Hafenarbeiter winkten uns durch die herumstehenden LKW-Anhänger zügig Richtung Heck des Schiffes. Hier war die Beladung durch kleine Rangierfahrzeuge noch voll im Gange und die Privatfahrer, die versuchten irgendwie auszuweichen wurden ziemlich angegangen, obwohl wir ja überhaupt nichts für diese Fehlplanung konnten. Nachdem mich einer der Rangierer anschrie, obwohl ich genau da stand wo mich sein Kollege drei Sekunden zuvor hingewinkt hatte platzte mir zwischenzeitlich auch mal der Kragen. Glücklicherweise verstand er kein Deutsch und hatte sowieso zu viel zu tun.
Die Auffahrt aufs Schiff und das Einparken verliefen einfacher, als ich mir das vorgestellt hatte. Zwar stehen die Autos, wenn sie denn dann mal stehen, schon sehr kompakt, aber es war noch keine Zentimeterarbeit nötig. Nach dem Zusammensammeln meiner Sachen standen wir dann alle etwas belämmert herum. Die Einweiser waren schon wieder mit den LKW beschäftigt und es gab kein einziges Schild, welches einem den Ausgang gewiesen hätte. Dementsprechend wuselten die Privatleute durch die Autoreihen, was die Rangierer wiederum zum Überkochen brachte. Ein Wortgefecht drohte tatsächlich in ein Handgemenge auszuarten, beide Parteien beruhigten sich aber gerade noch rechtzeitig.

Ein Passagier "entdeckte" dann den Ausgang, woraufhin sich die Situation etwas entspannte und wir endlich die Garage verlassen konnten.
Die Nacht auf dem Schiff
Um halb zwölf stand ich endlich auf dem Hauptdeck und der Druck und die Frustration der letzten Stunden fielen von mir ab. Ich hatte es geschafft unfallfrei auf dieses Ding zu kommen und brauchte mich für den nächsten Tag um nichts als um mich selbst kümmern. Ich machte noch ein paar Fotos vom Hafenbereich, schaute den Rangierern beim Schreien zu und suchte mir dann eine Liege in der Nähe des kleinen Swimmingpools, der sich vor dem Schornstein befand. Ich war schon ein bisschen müde und wollte schon mal entspannen. Es war außerdem noch ziemlich warm, und die Vorstellung, die Nacht hier auf Deck zu verbringen, war ziemlich toll.
Durch Zufall bekam ich eine Stunde später mit, dass wir anscheinend abgelegt hatten; ganz langsam verschob sich Barcelona gegen die Reeling. Ich stand also wieder auf und sah zu, wie das Schiff langsam aus dem Hafen herausmanövrierte. Das war also der sehr sehr andächtige Abschied von Spanien. Die Hafenausfahrt kam immer näher und damit nahm auch unsere Geschwindigkeit zu. Trotzdem dauerte es noch gut eine Stunde, bis die Lichter von Barcelona langsam ineinander übergingen und immer schwächer wurden. Das tolle an dieser Fährfahrt fand ich sowieso die "Art" der Bewegung. Beim Auto und kleineren Dingen hat man immer wieder ein Beschleunigen und Abbremsen, bei Flugzeugen die enorme Geschwindigkeit. Aber hier schieben sich zehntausende Tonnen Stahl mit vielleicht vierzig oder fünfzig Stundenkilometern durch die offene See mitten in die schwarze Nacht, ins Nichts erstmal. Und das macht das Schiff fast einen ganzen Tag lang. Dann kommt es an, wird ent- und beladen und fährt wieder zurück. Die Motoren laufen dabei immer weiter, stehen nie still... und das geht so die ganze Zeit, ununterbrochen, auf der Strecke zwischen Spanien und Italien. Ich finde das irgendwie genial. Vielleicht auch nur einfach deswegen, weil es das erste Mal war; aber sei's drum.

Das mit dem Übernachten an Deck hat sich relativ schnell als Flop herausgestellt. Es gab zwar einige, dies durchgezogen haben, aber die hatten winddichte Schlafsäcke dabei, die man bei den Windgeschwindigkeiten hier auch gebraucht hat. Mist. Ich hatte meinen auch mitgenommen, aber der lag noch in HORA. Außerdem war es mir durch die letzten Tage bei dreißig Grad im Schatten irgendwie entfallen, dass man in der Nacht auf einem Schiff vielleicht etwas dickere Klamotten als seine Badeshorts und ein T-Shirt anziehen sollte. Naja. Die Kälte führte mich also unter Deck Richtung Aufenthaltsräume für die Passagiere. Die Klimaanlage war hier auf vielleicht 17 Grad eingestellt, also auch nichts wo man in meinem Aufzug auf Dauer schlafen konnte. Überall lagen Menschen mit Decken und Schlafsäcken auf den Gängen und machten mich sehr neidisch auf ihre hoffentlich erlösende Traumwelt. Wobei ich ja eigentlich ja sowieso nicht damit gerechnet hatte, auf diesem Schiff irgendwie schlafen zu können. Aber ein warmes Plätzchen wäre nicht schlecht gewesen. Im Aufenthaltsraum der Trucker ließ ein paar abgepackte Brötchen mitgehen, die sie wohl auf Grund ihrer Fadheit liegen hatten lassen. Ich hatte irgendwie ziemlichen Heißhunger (wahrscheinlich durch die Kälte) und da kam mir das gerade recht.
Nach einer schier endlosen Sucherei fiel mir ein, dass man bei der Fährbuchung ja die Standardoption "Schlafsitze" auswählen musste. War die einzige Option ohne Aufpreis, und die Betten auf so einer Fähre (kombinierte Passagier- und Fahrzeugfähre, RoPax heißt das glaub ich) sind eher teuer. Neben der Rezeption wurde ich fündig. In diesem Schlafraum war es zum Glück ein bisschen wärmer. Eine Zeit lang konnte ich wegdämmern aber gegen drei Uhr war die Nach für mich gelaufen. In dem Raum gab es neben den Normalschnarchern bestimmt fünf Menschen mit einer schweren Schlafapoe, was mich den Rest der Nacht wachhielt. Die Zeit schlug ich mit lesen von allerlei blödsinnigen PDFs tot, die sich im Laufe der Jahre auf meinem Handy angesammelt hatten. Außerdem spielte ich ein bisschen dieses Minigame, dass bei Chrome gestartet wird, wenn der Browser offline ist. Hier muss man einen kleinen Dino über Kakteen hüpfen lassen und kann einen Highscore aufstellen. Nach dieser unglaublich ereignisreichen Nacht stand ich gegen sechs aus meinem Sessel auf und fragte bei der Rezeption nach der Zeit des Sonnenaufgangs und des Frühstücks. Um halb sieben sollte es mit der Sonne soweit sein, also ging ich schonmal aufs Deck. Da das Schiff direkt gen Osten fuhr und der vordere Teil für Brücke und Mannschaften reserviert war sah man von der Sonne herzlich wenig. Aber die See wurde langsam gegen den Horizont sichtbar, was auch ziemlich beeindruckend war. Ich setzte mich auf einen der Stühle an der Bar und dämmerte noch ein bisschen vor mich hin, aber es war auf Grund des Windes immer noch viel zu ungemütlich. Also ging es wieder unter Deck und vor die Caféteria, wo es um 8 Frühstück geben sollte. Ich habe ich auch noch mal eine Stunde gedöst und habe dann mit der Zombie-Aura eines Unausgeschlafenen als erster dem Frühstücksdirektor die Tür eingerannt (ich weiß, das bedeutet eigentlich was anderes, aber es hat auf den Typen einfach zu gut gepasst).

Mein Frühstück bestand aus einem Kaffee und einem Croissant. Beides verdrückte ich sehr langsam; das Croissant wegen der Wärme, die ich lange genug spüren wollte; den Kaffee, weil es die widerlichste Pissbrühe war, die ich seit langem getrunken habe. Das war hart, gerade weil es doch eine italienische Reederei war, mit der ich fuhr und ich mich doch eigentlich sogar mit Instantkaffee arrangiert hatte. Das Meer wurde mit der Zeit immer mehr beleuchtet und die Fensterscheibe immer wärmer. Gegen halb 11 entschied ich mich dann, es noch einmal mit dem Hauptdeck zu versuchen.
Die Überfahrt nach Civitavecchia

Der Wind war immernoch stark, allerdings hatte die Sonne das Schiff soweit erwärmt, dass man es aushalten konnte. Die Warterei ging weiter. Ich hatte zwar meinen Laptop mitgenommen, um den Andorra-Bericht zu Ende zu schreiben, aber der Akku ist nicht mehr der Beste und das Wollte ich dann am Nachmittag machen. Deshalb sah ich mich ein bisschen um. Irgendwie war es faszinierend und gleichzeitig erstaunlich normal, nur noch Wasser um sich herum zu haben. Das tiefe, satte Blau des Mittelmeers war wunderschön anzusehen; zusammen mit der konstanten Fortbewegung des Schiffs war es eine sehr friedliche Athmosphäre. Trotzdem ging mir nicht aus dem Kopf, dass nur ein paar Fahrstunden weiter südlichöstlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genau in diesem Moment irgendwelche armen Teufel auf winzigen Seelenverkäufern den irrwitzen Versuch wagen, nach Europa zu kommen. Beziehungsweise zu den Schiffen der europäischen Rettungsmission, mittlerweile geben manche Schlepper ja nicht mal mehr genügend Schiffsdiesel für die komplette Fahrt nach Sizilien oder Lampedusa mit. Wäre ja Ressourcenverschwendung.

Einige Zeit später kam ich ins Gespräch mit einem Marokkaner, den ich schon unten im Schlafraum gesehen hatte und der wie ich kein Auge zubekommen konnte. Er arbeitete in Italien als Tischler und war wohl auf großem Familienbesuch gewesen, und da Tanger - Neapel nicht wirklich bezahlbar war hat er wie alle anderen einen Umweg über Barcelona genommen. War am Anfang ein wirklich lustiges Gespräch, war ein sehr impulsiver, sehr viel lachender Typ und wir haben uns irgendwie auf Englisch-Italienisch-Französisch durchgeschlagen. Nach kurzer Zeit wurde es politisch und wir kamen ein über den amtierenden marokkanischen König, Einstellungen zur Demokratie (v.a. seine, wie gesagt, sehr extrovertiert der Typ) auf die Nah-Ost-Problematik zu sprechen. Er war der felsenfesten Überzeugung, dass der IS analog zu den Mudschaheddin der 80er Jahre von den Amerikanern finanziert werden. (Als er nicht wusste wie er mir "Mudschaheddin" erklären sollte und ich ihm sagte, dass ich weiß was das ist und auch ein bisschen was zu Bin Laden erzählte, sprang er auf, rief "Mudschaheddin!! Bin Laden!!" und gab mir High Five... Die Gesichter der Passagiere waren unbezahlbar.) Das ist eine Verschwörungstheorie, die wohl relativ weit im arabischen Raum verbreitet ist und er war trotz Verweis auf Iran und Saudi-Arabien nicht davon abzubringen. Dann ging es noch ein bisschen um Ehefrauen und Heirat (wohl ein beliebtes Smalltalkthema) und v.a. seine Frau. Er war stolz wie sonst was, als er mir ihr Bild gezeigt hat und erklärt hat, dass sie bald ihren marokkanischen Master in Software Engineering hat. Allerdings lag es für ihn wohl außerhalb seiner Vorstellungskraft, dass sie mit ihrem Abschluss auch irgendwann mal was arbeiten sollte. In seiner Idealvorstellung zog sie mit ihm nach Italien wo er für sie beide, die zukünftigen Kinder und die jeweiligen Großeltern verdienen würde werden. Ambitioniertes Projekt. Ich hoffe, dass die Frau eine gute Entwicklerin ist, das Potential hat viel Geld zu verdienen und sich dementsprechend argumentativ durchsetzen wird.
Auch wenn es am Anfang ganz lustig war und ich mich sogar als Verteidiger der Trinitätslehre anhand eines Stuhls versuchte (ein Stuhl, drei Blickwinkel, drei untschiedliche Erscheinungsbilder -> Ein Gott, drei unterschiedliche Zugänge durch Vater, Sohn, Hl. Geist. Ich fand mich sehr überzeugend.) war es auf die Dauer durch seine impulsive und vereinnahmende Art ziemlich anstrengend mit ihm. Ich wurde immer einsilbiger, bis er sich irgendwann "auf später" verabschiedete. Ich weiß, dass ist nicht die feine englische Art, aber ich bin mir sicher, dass er in nullkommanichts einen anderen Gesprächspartner gefunden hat.

Ich widmete mich wieder dem Meer, wo wir endliche an der Durchfahrt zwischen Korsika und Sardinien angekommen waren. Die Inseln sind vielleicht 15-20 Kilometer auseinander und da man in er Mitte durchfährt kann man beide Küstenlinien sehr gut erkennen. Ein paar Fotos später verdrückte ich mein erstes belegtes Baguette und verzog mich auf dsa ruhigere Heck des Schiffes, wo ich ein paar Stunden Reisebericht schrieb. Die Sonne war natürlich unerbittlich und schon nach kurzer Zeit hatte ich Sonnenbrand, so wie die meisten Passagiere die ich auf dem Hauptdeck traf.


Den Rest der Zeit verbrachte ich mit dem Ausblick aufs Meer, dem Konsum meiner letzten Vorräte und dem Beobachten der anderen Mitfahrer. Die Fähre hatte durch höhere Geschwindigkeit die Verspätung von Barcelona wettgemacht, sodass man um dreiviertel 6 die ersten Hügel des italienischen Festlandes sehen konnte. Die letzte Stunde stand ich an der Reeling und beobachtete das langsame Heranschieben an Civitavecchia.


Im Hafen fuhren wir an einem Kreuzfahrtschiff der Royal Carribean Lines vorbei. Das sind die, die ihre Pötte immer mit ... of the Seas benennen, diesmal war es die Harmony of the Seas. Im Nachhinein hab ich herausfinden können, dass es sich dabei um das aktuell größte Kreuzfahrtschiff der Welt handelt. In dem Moment war ich allerdings eher mit dem Sonnenuntergang überm Mittelmeer beschäftigt und habe dem Schiff nur wenige Schnappschüsse gewidmet. War schon ein beeindruckender Dampfer, ich meine die Cruise Roma ist keine kleine Fähre, und wir mussten vom obersten Deck noch ordentlich weit nach oben gucken. Da schwimmt im Prinzip ein Wolkenkratzer mit Shopping Mall, Opernsaal und Wildwasserrutsche durch die Weltmeere. Gleichzeitig unglaublich dekadent und beeindruckend.

Nach den Erfahrungen beim Boarding hatte ich es nicht übermäßig eilig in die Garage zu kommen. Hier herrschte das gleiche Chaos wie beim Einchecken, außer den Hafenarbeitern wusste niemand Bescheid; allerdings waren diese auch nicht wirklich bereit ihr kostbares Wissen mit uns zu teilen. Netter, da stressfreier waren sie aber. Auto für Auto wird hinausgelotst (diesmal durchaus mit Zentimeterarbeit, die Leute müssen möglichst in drei Zügen wenden und das parallel) und dann ist man auch schon im Hafen. Nach einem kurzen "Check" durch die Fiskalkontrolle am Ausgang ging es mitten hinein in den italienischen Straßenverkehr. Civitavecchia hatte ziemlich zugeparkte Straßen zu dem Zeitpunkt, und es hieß noch einmal eine halbe Stunde volle Konzentration. Aber dann war ich endlich an meinem Stellplatz, einem Wildcamper-Feld auf einer Anhöhe und hatte einen abendsonnegeröteten letzten Blick über Schiff und Hafen.

Mit einem sehr zufriedenen Gefühl fiel ich wenig später totmüde ins Bett.
Weiter geht's mit meinem Reisebericht Fiumicino.