Bilbao bis Elorriaga Auzoa

Bilbao bis Elorriaga Auzoa

Von Donostia ging es, meinem ursprünglichen Plan folgend, weiter Richtung Westen. Nächste Pflichtetappe war Bilbao, einfach schon wegen der Größe der Stadt. Das miese Wetter, Grundsatzentscheidungen und neuen Schwung thematisiert dieser Artikel.

Sopela

Der Parkplatz, den ich eigentlich ansteuern wollte (Stellplatz mit Meerblick) war erstens voll und zweitens rechneten die Parkuhren hier alle 15 Minuten ab. War mir ein bisschen zu heftig. Bin dementsprechend ein bisschen weiter weggefahren und in einer Neubausiedlung gelandet, wo man gut, eben und kostenlos stehen konnte. Mit meinem neuen Buch bewaffnet ging es dann an den Strand. Besser gesagt an die Steilküste hinter dem Sandstrand. Da stand ein kleines Mäuerchen auf dem ich es mir gemütlich machen und die Leute an Land, im Wasser und in der Luft (Gleitschirmflieger) beobachten konnte.

Strand bei Sopela, ein Stück hinter dem kleinen Mäuerchen.

Die Wolkendecke war dicht, trotzdem war es relativ warm und feucht. Nicht sehr angenehm das Ganze. Und auch wenn der Stellplatz für den Strandbesuch optimal war, wars für die Nacht nicht das Wahre. Also nochmal die App befragt und ein bisschen im Hinterland einen ruhigen Stellplatz mit Abwasserentsorgung gefunden. Irgendwo in der Nähe sollte auch ein Supermarkt sein, habe mich deshalb bei einem deutschen Pärchen zwei Autos weiter mal durchgefragt. Die konnten mir auch gleich helfen und so war ich nochmal Einkaufen und habe in weiser Voraussicht nochmal Bier besorgt. Wieder auf dem Parkplatz angekommen habe ich dann erst ein bisschen Reiseberichte geschrieben. Irgendwann bin ich dann nochmal zu den Campern hin und habe sie wegen ihrer Reiseroute befragt. Für Frankreich hatte ich immerhin einen groben Plan, für Spanien gab es das bis auf San Sebastian und Santiago überhaupt nicht.

Die beiden Hanoveraner (bzw. von Berufs wegen Baden-Badenwürttemberger) haben mich dann netterweise auch gleich eingeladen bei ihnen zu sitzen und wir hatten bei dem einen oder anderen Bier einen entspannten Abend. So richtig hat es mit der intensiven Kommunikation nicht geklappt, dafür waren wir irgendwie schon in zwei verschiedenen Welten unterwegs. Aber ihre Hinweise/Tipps bzgl. meiner Reiseroute waren im Nachhinein ganz gut. Sie wollten wie ich Richtung Galicien; das Wetter war aber für die nächste(n) Woche(n) ähnlich scheiße gemeldet wies im Moment war. Gekommen sind sie über die Küstenstraße, die ich auf dem Hinweg ja vermieden hatte. Sie schwärmten von der schönen Küste und ich bereute es schon ein wenig, durchs Inland gefahren zu sein. Am nächsten Tag wollten sie mit der Bahn nach Bilbao rein. Sopela ist die Vorletzte Station einer wichtigen Metrolinie und so konnte man ohne Probleme hin und zurück fahren. Auch diesen Tipp nahm ich mir zu Herzen; eigentlich wollte ich ja mit dem Fahrrad reinfahren. Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns bis zum nächsten Tag. Allerdings hat es mit dem Wiedersehen dann nicht mehr so geklappt, als ich los bin waren sie schon in Bilbao und als ich wieder da war waren sie weg. Naja, so ist das eben.

Bilbao

Mittags machte ich mich auf den Weg zur Metrostation Sopela. Auch hier war wieder alles auf Baskisch, aber da ich den Namen der Endstation hier in der Nähe kannte, wählte ich einfach die andere Richtung, kann ja so falsch nicht sein. Die Fahrt dauerte dann eine gute halbe Stunde bis zur Metrostation, in dessen Nähe die Touri-Info war. Habe mir von der Schalterfrau eine 3-Stunden-Tour erklären lassen, die sie mir auf meinem Stadtplan auch gleich einzeichnete. Die erste Station war der älteste Teil der Altstadt von Bilbao. Die Gassen sind schmal, die Häuser hoch und scheinbar jede Wohnung besitzt so einen kleinen Balkon. Angeblich stammen die Häuser noch aus dem Mittelalter, kann ich mir bei der Größe und Bauart aber irgendwie gar nicht vorstellen.

Angeblich mittelalterliche Fassaden...

Da ich meinen Rest-Salat vom Vorabend vergessen hatte einzupacken, gab es in der Stadt eine Tüte Pommes mit Roquefort-Soße. Das waren leckere Belgische Pommes, ziemlich dick und knusprig. Ich setzte mich kurz auf eine Treppe, die zu irgendeiner Basilika führen sollte und widmete mich meinem Mittagessen.

Das alte Theater von Bilbao.
Blick über den Fluss.

Dann ging es weiter am Nervion-Fluß entlang Richtung Norden. Auf dem Weg konnte man noch das ein oder andere interessante Gebäude knipsen. Eigentliches Ziel war allerdings die Zahnradbahn in der nördlichen Altstadt, die einen auf einen Hügel im Uribarri-Distrikt brachte. Von hier aus hatte man einen guten, wenn auch wolkenverhangenen Blick über die ganze Stadt.

Das Verhältnis von Himmel zu Stadt passt ganz gut zur Stimmung in Bilbao.

Wieder am Fluss kommt man unweigerlich am Guggenheim-Museum vorbei. Der Andrang war riesig, verstehe ich auch gut; so viele Guggenheim-Museen gibt es schließlich nicht. Drei Sehenswürdigkeiten gibt es um das Museum herum: Eine große Brücke, die teilweise zur Archtektur des Museums zu gehören scheint, eine riesige Blumenkatze, und Maman, eine 9 Meter hohe Spinne. Alles sehr beliebte Fotomotive.

Guggenheim und Maman.
Blumenkatze.

Ich wollte nicht ins Guggenheim, sondern auf Anraten der Touri-Info-Frau in ein anderes Kunstmuseum in der Altstadt. Die Warteschlange war allerdings zu lang, da heute wohl Tag der Offenen Tür war. Also bin ich noch einmal kurz in den nahen Park für ein bisschen Grün und machte mich dann wieder auf den Rückweg.

Ein Blick durch den Park auf Downtown Bilbao.

Vor der Rückfahrt nach Sopela habe ich mir in der Touri-Info noch "An Englishman Came To Bilbao" mitgenommen, ein aufwändig gestaltetes Heftchen, dass die Verbindungen zwischen den Briten und der Stadt im Baskenland offenlegt. Einige interessante Details: Bilbao war lange Jahrhundertelang Schwerindustriezentrum und Teeumschlagplatz ("Britain in a Nutshell"), die baskische Flagge ist eindeutig vom Union Jack inspiriert und der baskische Name für Bilbao, Bilbo, wurde von JRR Tolkien auf seinen Helden aus "der kleine Hobbit" übertragen. Oh, und angeblich gibt es bis heute große britische Sympathien gegenüber Athletic Bilbao. Tja, wieder was gelernt.

Die große Traurigkeit und die noch größere Freude

Auf dem Heimweg überfiel mich dann endgültig die große Niedergeschlagenheit, die ich schon seit ein paar Wochen unterbewusst mit mir rumschleppte. Ich habe es bisher immer vermieden, all zu viel über meine Gefühle und Gedanken hier in den Blog zu schreiben. Aber da dies sozusagen einen Wendepunkt meiner Reise darstellte muss es hier einfach rein, auch wenn es wohl verwirrend zu lesen sein wird.

Was der ausschlaggebende Punkt war weiß ich jetzt ehrlich gesagt nicht mehr genau, vielleicht das Wetter, vielleicht die Erfahrungen mit den Campern (zwar positiv, aber es war ab dem Zeitpunkt irgendwie klar, dass ich nie irgendwie "tiefere" Gespräche führen würde können auf dieser Reise, schon gar nicht in anderen Sprachen), vielleicht die drölfzigste Stadtbesichtigung, die mir irgendwie dann doch auf den Keks ging — egal. Das stärkste Gefühl war in jedem Fall die Einsamkeit und das "nicht vorwärts kommen" in der eigenen Gedankenwelt. Seit Rennes habe ich mich immer mehr "allein" gefühlt. Klar halte ich mit den meisten, die das hier lesen, regelmäßig Kontakt und es hat mich auch jedes Mal gefreut was von zu Hause zu hören und ihnen was erzählen zu können. Aber der Umstand, dass man Momente und Erlebnisse nicht teilen kann, bzw. das Gedankenkarussell nicht mal ein bisschen anhalten und ordnen kann hat mir schwer zu schaffen gemacht. Auf der Heimfahrt im Zug war ich wirklich kurz davor meinen Krempel zu packen und die 1 200 Kilometer zurückzufahren, weil ich es mit mir und meinen immer gleichen Gedankenwegen nicht mehr so recht ausgehalten habe.

Zum Glück habe ich das per WhatsApp auch artikulieren können und viel Zuspruch erfahren. Nochmal vielen Dank an die betreffenden Leute :). Trotzdem war schnell klar, dass mich wohl niemand besuchen wird können. Und irgendwie — ich weiß ehrlich gesagt immer noch nicht so genau, warum — habe ich angefangen, all diese negativen Gefühle, Einstellungen und Gedanken zu hinterfragen. Ihnen ein Fragezeichen anzuhängen und sie "umzudeuten" bzw. mich auf die positive Seite der Geschichte zu stellen. Angefangen mit der Einsamkeit (es ist doch ein richtiges Gefühl, jemanden zu vermissen), über meine totgetretenen Gedanken (ich weiß jetzt ziemlich genau, was ich machen werde, wenn ich wieder da bin) bis hin zu grundsätzlichen, vermeintlich sicheren Einsichten über das Leben und mich selbst.

Das war/ist ein Prozess, der sich über mehrere Tage hingezogen hat und auch jetzt immernoch anhält, aber ich glaube, dass das nicht mehr umkehrbar ist. Man kann sich dazu entscheiden, glücklich zu sein. Man kann sich dazu entscheiden mit sich selbst zufrieden zu sein und man kann sich dazu entscheiden, negativen Gefühlen nicht mehr Raum zu geben als sie unbedingt benötigen. Ich war und bin ein Mensch, der die Dinge eher unter negativen Aspekten sieht, den erst die Hindernisse und dann die Möglichkeiten beschäftigen. Aber irgendwie habe ich in Sopela ganz tief drin verstanden, dass man das aus sich selbst heraus ändern kann, dass ich das ändern kann. Vielleicht dauert das und ist nur über viele kleine Schritte möglich und mit vielen Rückschlägen, aber es funktioniert und funktioniert zuverlässig. Und auch diese vermeintlichen Rückschläge / Defizite kann man immer von einer anderen Seite betrachten. Ich war immer der Überzeugung, positive Gedanken sind von Grund auf "weniger Wert" als negative, dass das Pessimistische immer irgendwie näher an der Realität ist. Aber das stimmt nicht. Es sind gleichberechtigte Sichtweisen, und man macht sich das Leben eindeutig einfacher und schöner, wenn man für sich mehr Wert auf die positive Seite legt.

Mittlerweile habe ich mich wieder etwas "beruhigt", aber die paar Tage in denen diese Erkenntnisse kamen waren schon sehr aufregend. Man konnte alles mit anderen Augen betrachten und egal auf welchen Lebensbereich ich diese neue Sicht anwendete, überall verkehrte sich ein "naja..." in ein "und ob?!". Das war und ist aufregend, weil kein Stein auf dem anderen bleibt und diese zementierten Gewissheiten, die man über sich selbst zu haben glaubt alle eben mit einem Fragezeichen versehen und neu gedeutet werden können. Und das macht eine unglaubliche Freude.

Tja, mit diesen ganzen neuen Gedanken und neuen Einstellungen im Kopf war es dann auch keine so große Sache mehr, meinen ursprünglichen Plan über den Haufen zu werfen. Ich habe die geplante Zeit in Spanien um eine Woche verkürzt, meine Fähre nach Civitavecchia gebucht und beschlossen, die Pyrenäen in der verbliebenen Zeit noch ein bisschen besser unter die Lupe zu nehmen. Einerseits liegen sie auf dem Weg nach Barcelona (Abfahrtsort der Fähre), andererseits fand ich das, was ich bisher gesehen hatte schon sehr beeindruckend und erkundenswert.

Trafikant am Strand

Außerdem konnte ich die wertvollen Tipps der Camper nun verwerten und mich an der Küstenstraße zurückschlängeln. Zunächst ging es aber nochmal an den Strand, den Trafikanten weiterlesen. Spielt im Wien der 30er Jahre und handelt vom jungen Franz Huchel aus dem Salzkammergut, der eine Anstellung in einer Trafik (heute/in Deutschland würde man Kiosk sagen, vll. sagen es die Österreicher ja immernoch) findet, sich verliebt, mit Sigmund Freud darüber diskutiert und sich auf sympathisch-naive Weise ins Leben stürzt. Der Ausgang der Geschichte ist leider eher tragisch, weil das politische Leben die Privatleben der Menschen frisst. Aber die Höhen und Tiefen, die der junge Kerl so durchlebt machen einem Mut für sein eigenes Dasein und zeigen einem, dass beide Extreme elementare Bestandteile unserer Existenz sind. Muss an dieser Stelle wirklich nochmal der netten Buchhändlerin aus Paris danken. Das war eines der Bücher, dass sie mir ans Herz gelegt hat und es hat sich wirklich gelohnt.

Es ist mit knapp 275 Seiten eine knappe Erzählung und deswegen bin ich an diesem Tag auch noch damit fertig geworden. Zwischendurch konnte man immer mal wieder die Surfer beobachten, die versuchten raue See mit ihren gut 4 Meter hohen Wellen zu meistern. Überhaupt ist Nordspanien wohl der Surfspot schlechthin, es gibt keinen Küstenort mit Strand, der nicht wenigstens eine Surfschule und einen reservierten Strandabschnitt bereithält.

Tour auf der Küstenstraße und Guernica

Abends ging es dann nach dem Auffüllen der Wasservorräte und dem Entsorgen des Abwassers weiter. In Spanien gibt es in jeder Stadt in der ich war öffentliche Wasserspender, Frischwasser zu finden ist also gar kein Problem mehr. Ich wollte und musste nicht viele Kilometer machen, also hielt ich kurz vor Bakio auf einem wunderbaren Stellplatz neben der Straße. Man hatte eine tolle aussicht aufs Meer und den Leuchtturm des Ortes.

Tolle Aussicht vom Stellplatz bei Bakio. Die Bäume im Vordergrund wachsen aus einer fast senkrechten Steilwand.

Die nächsten zwei Tage wurde so verbracht, wie ich mir das mal ganz ursprünglich bei meinen Reiseplanungen vorgestellt hatte: Fahren, die Landschaft genießen, Anhalten wo es einem gefällt, Herumlaufen und sich alles ansehen. In Mundaka tankte ich außerdem kurz nach (Sprit ist hier noch einmal ein deutlich günstiger als in Frankreich... wenn man Glück hat gibts den Liter Diesel für 89 Cent, leider hatte ich kein Glück) und fuhr dann auf gut Glück weiter. Die Straßenschilder wiesen jetzt immer häufiger Richtung Gernika. Das hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm, dass hier natürlich auch diese bekannte baskische Stadt liegt. 1937 wurde sie im spanischen Bürgerkrieg von der deutschen Legion Condor zu "Testzwecken" (Üben von Flächenbombardements auf zivile Ziele) in Schutt und Asche gelegt, wobei mehrere hundert Menschen starben. Pablo Picassos berühmtes Werk Guernica basiert auf diesem Vorfall.

Die "Werkzeuge für den Frieden"...

Also ging es schnell nach Gernika. Die Stadt war nicht hässlich aber auch nicht schön, vieles erinnerte an die Atmosphäre in Saint-Lô. Hatten ja auch irgendwie ein ähnliches Schicksal... Auf jeden Fall habe ich das örtliche Friedensmuseum untersucht, dass sich mit den Voraussetzungen und Bedingungen, dem Wesen und dem Erhalt des Friedens in der Welt auseinandersetzt. Neben allgemeinen weltpolitischen Friedensprojekten wird natürlich die Zerstörung Gernikas und der Baskenkonflikt dargestellt. Die Sprache des deutschen Begleitheftchens fällt sehr blumig aus, hat mir aber ganz gut gefallen. Es hatte einen leicht philosophischen Touch. Wichtige, wenn auch einfache und einleuchtende Erkenntnisse: Die Zufriedenheit eines jeden Einzelnen ist Grundvoraussetzung des Friedens in der Welt, Argumente statt Waffen, Empathie für jede Meinung und Position.

... mit deutscher Übersetzung.

Der Rundgang dauerte seine Zeit, v.a. weil das Heftchen 32 Seiten stark und eng bedruckt war. Nach zwei Stunden schlenderte ich zurück zu HORA, die ich in einer Seitenstraße eines Industrieviertels geparkt hatte, kaufte nochmal ein und fuhr dann wieder Richung Meer (in Spanien gibt es eine unglaubliche Auswahl an Melonen... habe mir mal 2 verschiedene mitgenommen, schmeckten dummerweise beide recht nach Honigmelone). Die zwischenzeitlich sichtbare Sonne verschwand leider wieder hinter der Wolkendecken, als ich an meinem abendlichen Ziel ankam. Ein richtiges Ziel war es nicht, ich wollte eigentlich nur sehen wohin die Straße führte und schwupps war ich in Elantxobe. Ein kleines Fischerdorf mitten im Fels ist das; in mehreren Ebenen erstreckt es sich über die komplette Felswand bis zu seinem kleinen, ummauerten Hafen. Da es langsam spät wurde und ich keine Lust mehr hatte zu fahren, beschloss ich, hier zu übernachten.

Elantxobe.

Bin dann zum Tagebuchschreiben (das führe ich parallel zu diesem Blog auch noch... furchtbar viel Textoutput manchmal. Aber darin kann man besser reflektieren als hier) in die nächste Kneipe gedackelt, die sich weit oben im Dorf befand. Konnte man bei einem kleinen Bier sehr gut sinnieren und weiter Gedanken ordnen und sich an seinen neuen Erkenntnissen freuen. Die drei etwas grießgrämig dreinblickenden älteren Spanier am Nebentisch sahen das mit Argwohn, war mir aber egal. Das ist auch so ein Punkt... ich versuche nicht mehr auf Biegen und Brechen Gespräche anzufangen, nur um dann enttäuscht zu werden (wegen meiner oder deren fehlender Sprachkenntnis). Ich gehe zunehmend ohne "Kommunikationsdruck" durch die Welt, was mir im Nachhinein wahrscheinlich mehr Kontakt verschafft als andersherum. Wie dem auch sei... Durch die Wolken wurde es relativ schnell dunkel und ich verzog mich wieder zum Stellplatz, einer Parkplatzreihe neben der ins Dorf führenden Küstenstraße. War nach Le-Mont-Saint-Michel der zweite Spontanparkplatz und in dieser Nacht ging zum Glück alles gut.

Bild der Ferne.

Am nächsten Morgen lief ich dann noch einmal kurz runter in den Hafen und machte ein paar Fotos.

Elorriaga Auzoa

Weiter ging's die Küstenstraße entlang. In Lekeitio wollte ich zum Hafen, verfranste mich aber dank meines Navis wieder in der aus Einbahnstraßen bestehenden Innenstadt. An der Umgehungsstraße fand ich einen Parkplatz und lief zum Strand, dem eine kleine Insel vorgelagert war. Hier hatte man einen schönen Blick über den Ort, die Küste und die See. Die Insel konnte man nur über einen schmalen Steg erreichen, und da das mehr auf dem Rückweg schon ziemlich unruhig war wurden alle Rückkehrer wohl oder übel komplett durchnässt. Deswegen machte ich kurz nach Lekeitio noch eine kleine Duschpause auf einem Schotterplatz im Wald.

Der Hafen von Lekeitio von der Insel aus gesehen.
Insel- und Meerblick.

Der Tag wurde durch das Befahren der Küstenstraße, gelegentliche Stopps und Ausblicke auf die Bizkaya komplett ausgefüllt. Die Küstenstraße schlängelt sich in den meisten Fällen sehr angenehm am Wasser entlang, manchmal reicht die Fahrbahn für die Breite eines Kastenwagens allerdings nicht mehr aus. Dann muss man sich ein wenig konzentrieren und hinter jeder Biegung Gegenverkehr, Radfahrer oder auch elektrifizierte Rollstühle (kein Spaß, ist mir drei Mal passiert) erwarten. Gegen Nachmittag musste dann eine Entscheidung bzgl. des Übernachtungsplatzes her. Habe mich nach gar nicht so langer Bedenkzeit für einen den Bildern nach sehr schönen Stellplatz irgendwo im nirgendwo entschieden und ihn gegen fünf Uhr auch erreicht.

Es handelte sich um den Picknickplatz von Elorriaga Auzoa, einem winzigen Örtchen in den meernahen Hügeln. Der Platz war einem Samstag abend entsprechend gut besucht, ich fand aber trotzdem ein gerades Stück für HORA. Die Gemeinde hat den Platz wirklich schon hergerichtet. Es gibt einen Kinderspielplatz, Toiletten, Frischwasser und Abfalleimer sowie mehrere öffentliche Grills und bestimmt 20 Picknicktische, die in den Hügeln verteilt stehen. Außerdem hatten sie einen Kioskwagen da, der sowohl die Picknicker als auch die Pilger, die sich für die Küstenvariante des Jakobswegs entschieden hatten mit Snacks und Eis versorgte.

Wunderbare Bizkaya.

Ein paar hundert Meter unterhalb befand sich ein toller Aussichtspunkt über das Meer. Ich probierte die Panoramafunktion meines Handys aus; klappte leider nicht ganz so gut, weil ich ein bisschen wackelte. Der Abend wurde wieder fürs Reiseberichtschreiben genutzt.

In meiner Nähe stand ein orangefarbener DüDo 207 D mit H-Kennzeichen — wie in meinem Bericht über Rennes schon erwähnt ein Traum von Auto. Bewohner waren drei offentsichtliche Hippies (Haremshosen, Dreads und eine... entspannte Ausdrucksweise) aus Pfaffenhofen, die ich aber erst am nächsten Morgen bei Yoga-Übungen auf dem Dach entdeckte. Nachdem sie fertig waren und ich bestimmt zum dritten Mal vorbeigelaufen bin und mir das Ding ganz verzückt angeguckt hatte, musste ich den Besitzer natürlich ein bisschen befragen. Der Wagen war ein Ex-Katastrophenschutzfahrzeug und für die H-Zulassung von ihm selbst wieder aufgebaut worden. Deswegen war die Wohnmobilausstattung auch reversibel eingebaut; ein Oldtimer wie der muss jährlich zum TÜV und der Originalzustand muss dabei immer erhalten bleiben. Seine 65 PS bei 2,5 Tonnen Leergewicht reichten dick aus, meinte der Fahrer, man muss sich eben nur etwas Zeit lassen beim Beschleunigen... ;). Nach einigem Hin und Her erfuhr ich, dass sie auf dem Weg zu einem Goa-Festival in Portugal waren und ich musste mich ob der Klischeeerfüllung schon ein bisschen zusammenreißen. Später wollten sie in die Pyrenäen wandern. Das überschnitt sich ja ganz gut mit meinen Plänen und so wollte ich natürlich etwas über ihre geplanten Ziele wissen. So genau war ihnen das auch noch nicht klar, aber sie wollte irgendwie die spanischen Nationalparks abfahren bzw sich "dazwischen" positionieren. Soweit schonmal ganz gut, ein paar Ortsnamen merkte ich mir.

Der Picknickplatz Elorriaga Auzoa mit HORA und Hippiebus.

Der Sonntag sollte auch ein bisschen fürs Wandern/Spazieren genutzt werden und so lief ich den Pilgern und freizeitgenießenden Spaniern Richtung Zumaia entgegen. War einer der etwas größeren Orte mit einem kleinen Sandstrand eingequetscht zwischen großen Flysch-Hügeln. Flysch ist die charakteristische Gesteinsstruktur in dieser Gegend. Habe die Erklärung zur Entstehung auf den Infotafel nicht genau verstanden, aber man kann im Flysch wohl ziemlich gut verschiedene Erdzeitalter unterscheiden. Eine dünne schwarze Schicht im Flysch markiert sogar den Einschlag des Meteoriten, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier durch Klimaveränderungen ausgelöscht hat.

Das freigelegte Flysch. Vorne links ist vermutlich die dünne, schwarze Meteoritenschicht zu erkennen.
Strand von Zumaia zwischen dramatischen Hügeln.

Nach dem Wandern auf, über und durch das Flyschgestein gings an den genannten Sandstrand. Das Wasser war wegen der hohen Wellen gesperrt, deswegen habe ich mich nur ein bisschen gesonnt und bin nach drei Stunden wieder zurückgewandert. Als ich am Rastplatz ankam waren die Hippies schon wieder weitergefahren; und viele neue spanische und französische Wohnmobile hatten sich um HORA gruppiert.

Am Abend hieß es dann endgültig Abschied nehmen vom Atlantik. Einen knappen Monat lang bin ich von Cabourg bis hier immer wieder an ihm entlang gefahren bzw. war nie all zu weit von ihm entfernt. Ich habe mich also noch einmal so lange es ging in die Hügel gesetzt und den Ausblick auf das Meer und den Sonnenuntergang genossen.

Tschüss, Atlantik!

Am nächsten Tag ging es los nach Pamplona.

Weiter geht's mit meinem Reisebericht Pamplona bis Boí.