Bordeaux und Biarritz

Bordeaux und Biarritz

Die Auszeit auf der Île d'Oléron hat mir wieder Lust auf die nächste Stadtbesichtigung gemacht. Bordeaux als "heimliche Hauptstadt" Frankreichs versprach vielversprechend zu werden. Und auch das See- und Heilbad Biarritz, als ein erster Vorgeschmack auf spanische Verhältnisse stellte ein lohnendes Besichtigungsziel da. Meine letzten Tage in der Grande Nation im Schnelldurchlauf.

Bordeaux

Nach meiner kurzen Einkaufstour im nächsten Leclerc (auch eine große franz. Supermarkt-Kette) wollte ich, wie in Nantes auch, Bordeaux am Abend besichtigen. Der Weg in die Stadt war durch die "organische Einheit", die Le Bouscat und Bordeaux bildet nicht wirklich schwer zu finden, nur darf man den "centre ville"-Schildern wirklich erst folgen, wenn man das Ortschild von Bordeaux hinter sich gelassen hat.

Die Kathedrale von Bordeaux hat einen interessanten Grundriss; die Kirchtürme stehen an der Längsseite des Schiffs.

Bin ziemlich ziellos durch die Stadt geschlendert und habe wieder alles mögliche angeguckt und fotografiert. Wo Nantes und Rennes groß wirkten, ist Bordeaux mächtig. Die Einkaufsstraßen noch ein paar Meter breiter, die Kneipen noch voller, das Leben auf der Flaniermeilen noch mondäner. Trotzdem ist es nicht sonderlich schwierig, sich zurecht zu finden. Hat man sich einmal in einer der unzählen kleinen Abzweigungen in der Innenstadt verlaufen muss man eigentlich nur den Sackgassen ausweichen, und findet sich bald schon wieder auf einem bekannten Boulevard.

Das Theater.

Bordeaux pflegt in seiner Geschichtstradition vor allem das Bild der Heimatstadt der Girondisten, einer progressive Gruppe des Großbürgertums während der französischen Revolution, die im Laufe der Zeit aber immer mehr Macht an die radikalen Kräfte verlor. Eine große Säule zum Gedenken an deren Erbe bildet ein wichtiges Zentrum der Altstadt.

Die Säule der Girondisten.
Links und rechts davon finden sich Adaptionen aus der griechischen Mythologie, den Text dazu habe ich leider nicht verstanden.

Die Stadt liegt in einem Bogen der Garonne, die vom Schlick meistens ziemlich gelb gefärbt ist. Bekannteste Brücke über den Fluß ist der pont de pierre, noch unter Napoléon in Planung gegeben. Ich bin einmal kurz drüber gelaufen (sehr sehr windig) und habe sie vom Ufer aus versucht zu fotografieren. Leider war sie zu dem Zeitpunkt noch nicht beleuchtet, sonst hätte es schönere Bilder gegeben.

Der pont de pierre vom linken Flußufer aus.
Eines der drei erhaltenen Stadttore.

Nachdem ich für mich beschlossen hatte alles gesehen zu haben, habe ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Restaurant für den Abend gemacht. Ein bisschen aus Feigheit anderen Möglichkeiten gegenüber und wegen dem Bier bzw. Cider bin ich in einem irischen Lokal gelandet. War ganz nett soweit dazusitzen, zu essen und zu trinken und den Aktivitäten auf der Straße zuzugucken. Ich weiß, Bordeaux gilt auch als eine Weinmetropole, aber das wissen die Bars dort am besten; folglich fangen die Weinkarten da erst ab 10€ an — für das Glas, versteht sich. Außerdem bin ich kein großer Weinkenner. Hauptsache Rotwein, Hauptsache trocken ist da meistens meine Devise.

Die Synagoge ganz in der Nähe des irischen Pubs.

Zurück zu HORA ging es auch ganz fix, wo ich das erste mal seit zwei Wochen endlich mal wieder durchschlief.

Zucht und Ordnung in der Schwimmanstalt

Am nächsten Morgen wollte ich die Chance meines Standortes nutzen und mal wieder ein paar Bahnen schwimmen gehen bzw. noch viel dringender eine warme Dusche. Vom Kassenschalter bis ins Schwimmbecken mussten allerdings einige Hürden überwunden werden, welche nicht immer ganz offensichtlich waren.

Da das Schwimmbad eine kommunal, d.h. staatlich betriebene Einrichtung war, hatte das ganze weniger mit einem Bad als vielmehr mit einer Schwimmanstalt zu tun. Es gab keine Spinde, sondern man zog sich die Schuhe aus, ging in eine Kabine und kam mit allen zu verstauenden Sachen wieder zur Kassiererin zurück, die sie entgegennahm und in ein System einhängte, dass ich nur aus Zechen kenne: Deine Sachen werden in einen von ca. 200 Körben gelegt, die dann über einen Flaschenzug an die Decke verfrachtet werden.

Dann ging es weiter zum Duschen. Kurz bevor ich den Schwimmraum betrat, wiesen mich große Hinweisschild auf die Pflicht hin, Badekappen zu tragen. Nach kurzer Rückversicherung bei einem der Badegäste, ob das auch wirklich nötig sei, bin ich wieder zur Kasse getappt, wo man mich an einen Automaten verwiesen hat. Hab mir dann das Luxus-Modell (feinster Leinenstoff, 3,50 das Stück) rausgelassen, und bin zuversichtlich in die Halle getappt, wo mich ein junger Bademeister gestikulierend daraufhin wies, dass hier auch keine "zu schlabbrigen" Shorts erlaubt sind (die Geste für "zu schlabbrig" war sehr lustig). Nach vergeblichem Hinweis auf fehlende Schilder hatte ich dann keinen Bock mehr, zog mich um und wollte meine Sachen aus dem Kleideraufzug holen, als der Senior-Bademeister auf mich zukam und mir mit strengem Blick eine einmalige Sondererlaubnis auf Grund meiner ausländlischen Unbedarftheit ausstellte. So zog ich mich wieder aus und durfte nach 15 Minuten endlich ins Wasser.

Aber auch hier riss der, sagen wir mal leicht sozialistische Reglementierungswahnsinn nicht ab: Es gab je eine Bahn für Flossenschwimmer, für "sehr schnelle Schwimmer" (zugelassene Stile: Kraul oder Schmetterling), für "schnelle Schwimmer" (Schwimmstil egal), für Ausdauerschwimmer, fürs Aufwärmen, für Senioren und Kinder. Das war schon hart zu sehen, v.a. bis mir der Senior-Bademeister das auch alles erklärt hatte.

Hab mich dann anderthalb Stunden brustschwimmend und auf meine Geschwindigkeit achtend auf der Ausdauerbahn aufgehalten.

Musée d'Aquitaine

Nach meinem Hallenbadbesuch ging es dann wieder nach Bordeaux, und hier erstmal zur Touristeninfo. Nachdem ich den Stadtplan mit meinen am Vorabend geschossenen Bildern abgeglichen hatte, stellte sich die große Ernüchterung ein: Ohne es zu wollen hatte ich das Meiste schon gesehen. Eine wirkliche Stadterkundung Teil 2 war daher nicht mehr möglich. Also wars mal wieder Zeit, ein Museum ansteuern.

Das Musée d'Aquitaine ist das Stadt- und Regionalmuseum von Bordeaux, und da ich schon wusste wo es ungefähr lag, bin ich einfach mal da hin gegangen. Auch hier fangen sie wieder ganz am Anfang (Paleolithikum) an, aber man kommt relativ schnell in die Neuzeit, weil es erst hier mit mehrsprachigen Infotexten losgeht.

Die Ausstellung ab dem 18. Jahrhundert war dann auch ganz interessant, Stadtentwicklung, Hafengeschichte, die wechselnde Zugehörigkeit Bordeaux' von der spanischen zur französischen Einflussphäre, die Bedeutung des Sklavenhandels für die Stadt und die französischen Kolonien, Religion, Binnenwirtschaft — es war alles dabei. Außerdem gab es viele, viele Schiffsmodelle, die man wegen ihrer Detailgenauigkeit sehr lange betrachten konnte. Die Ausstellung "Bordeaux im 20. Jahrhundert" wird gerade überarbeitet, und so war ich ziemlich schnell wieder raus aus dem Museum.

Moderne, organische Architektur wie diese findet sich immer wieder im Stadtzentrum.

Auf dem Rückweg nach Le Bouscat bin ich dann noch ein Stück an der Garonne entlang gefahren und habe mir einen alten U-Boot-Bunker angesehen... wo die Deutschen damals überall ihre Bunker hinbauen mussten... Naja, ist jetzt wohl zur einen Hälfte baufällig und zur anderen Hälfte als Raum für Kunstausstellungen genutzt.

Der U-Boot-Bunker.

Bordeaux nach Biarritz

Am dritten Tag ging es gegen Mittag weiter. Ich hatte mir nochmal überlegt ins Schwimmbad zu gehen (jetzt, da ich sowohl eine Badekappe erstanden, als auch in den Tiefen meines Kleidungsfaches meine Sportbadeshorts gefunden hatte). Der Andrang war dann aber doch zu groß. Bei 27 Grad und Sonnenschein ging es also auf der letzten großen Etappe Richtung Süden. Der Verkehr lief bis auf ein paar anfängliche Startschwierigkeiten gut und so ging es abseits der großen Mautautobahnen ins Heil- und Meerbad Biarritz.

Der Verzicht auf die Mautautobahn und das "Durchfahren in einem Stück" war nicht nur meinem Geldbeutel geschuldet. Es gibt bis heute immer wieder Berichte von Banden, die Wohnmobilisten auf autobahnnahen Raststätten im Schlaf mit KO-Gas außer Gefecht setzen und ihnen das komplette Auto leerräumen. Den Leuten passiert gesundheitlich nie was und, dass bei HORA irgendjemand einbrechen wollen würde wage ich auch stark zu bezweifeln (mein Bus schreit ja eigentlich aus allen Blickwinkeln "Hier gibt es nichts zu holen!"). Trotzdem, man muss sich dem Risiko ja nicht unbedingt aussetzen und so sieht man auch mehr von der Landschaft.

Die Region zwischen Bordeaux und Biarritz ist wider Erwarten von große Nutzwäldern geprägt, unterbrochen nur von kleinen Wiesen und Weiden. Erinnert in der Monotonie der Bewachsung ein bisschen an oberfränkische Fichtenwälder, nur eben mit mediterraneren Pflanzen. Z.B. gibt es hier als eben als Bodendecker statt irgendwelches Blättergebüsch vor allem Farne.

Erst kurz vor Biarritz entschied ich mich für meinen endgültigen Stellplatz: Ein Schotterweg entlang des Regionalflughafens Biarritz/Bayonne/Anglet. Nicht besonders einladend, aber ich brauchte etwas Abgelegenes für die Aktivitäten der nächsten Tage.

Großreinemachen

Nach sechs Wochen und vor meiner nächsten großen Etappe musste HORA einmal gründlich saubergemacht werden. Nachdem ich in Bordeaux schon einmal meinen Kühlschrank abgetaut und geputzt hatte (es bildet sich schnell eine dicke Eisschicht an den Seiten, auch wenn keine Gefriertemperatur eingestellt ist), war jetzt der Rest des Ausbaus dran. Also habe ich Morgens meinen Bettbezug und mein Bettzeug genommen und bin damit zum nächsten Waschsalon gefahren. Zum Trocknen aufgehängt habe ich das ganze dann wieder am Flughafen. Der Wind war sehr stark und so war die ganze Sache nach anderhalb Stunden durch. Zwischendrin habe ich ausgekehrt und alle Flächen und Gerätschaften geputzt, sodass HORA rein äußerlich fit für vier Wochen Spanien war.

Bettzeug baumelt bei Biarritz.

Danach habe ich wieder ein bisschen an der Website geschraubt und noch einen Spaziergang durch den angrenzenden Mischwald unternommen. Mitten im Wald haben irgendwelche indianerbegeisterten Menschen eine Art Kultstätte errichtet. Totem, eine große Lichtung und ein angefangenes "Hauptlager", dass relativ unzugänglich mitten im Unterholz lag, waren vollkommen verlassen. Den Hinterlassenschaften zu urteilen war es aber nicht lange her, dass hier noch Menschen gearbeitet haben. War eine seltsame Atmosphäre in diesem Wald.

Freaks oder Sekte? Seltsame Totems im Wald...
... und ein verlassenes Lager. die Propangaskapseln im Bretterverschlag waren noch neu.

Biarritz

Biarritz: Wunderschönes Meer.

Tag drei, an dem die Temperaturen dann schon über dreißig Grad gestiegen sind, wurde in Biarritz selbst verbracht. Dazu fuhr ich zunächst auf einen Stellplatz in Anglet, der etwas näher am Stadtzentrum war. Mit dem Fahrrad war der Restweg dann eine Sache von zehn Minuten. Es hat dann nochmal ein bisschen gedauert, bis ich die 200 Meter Fußweg von der Touri-Info zum Strand gefunden habe, aber auch alles kein Beinbruch. Trotzdem erstaunlich, es gibt Tage an denen ich mit traumwandlerischer Sicherheit Wege durch mir unbekannte Städte finde und an anderen Tagen tue ich mir schon schwer die Himmelsrichtungen zu bestimmen. Ich schiebe es dieses Mal einfach auf die Hitze.

Blick über den Grande Plage.

Der Grand Plage und der Plage de Miramar sind die zwei belebtesten Strände in Biarritz. Hier grenzen die teuersten Hotels direkt ans Meer. Dementsprechendes Klientel findet sich auch auf den Badetüchern. Überhaupt hat das ganze irgendwie einen leichten Copacabana-Einschlag, zumindest so wie ich mir das klischeehaft-negativ vorstelle. Männertangas, Frauen jeden Alters oben ohne und alles, wirklich alles auf sehen und gesehen werden ausgerichtet. Bei Mädels, die geschminkt und im knappen Bikini joggen gehen und bodygebuildeten Männern, die ihre Laufrunde am belebtesten Ort des Strandes für laut stöhnende Burpees unterbrechen weiß man gar nicht, wo man hinsehen soll — Fremdschämfaktor hoch zehn.

Statt Naggerte lieber Meer gucken.
Oder Felsen.

Schnell habe ich mich dann der Landschaft zugewendet, und die ist ziemlich schön. Viele Felsen ragen vor dem Sandstrand aus dem Meer und geben der ganzen Geschichte etwas Dramatik. Einzelne dieser Felsen sind vom Ufer aus durch Brücken begehbar und werden auf der empfohlenen Route auf dem Stadtplan der Touristinfo auch herausgehoben. So hat man immer wieder schöne Aussichtspunkte.

Ein kleiner Fischerhafen.

Zum Schluss ging es nochmal in den Norden der beiden Strände, wo ich mir den örtlichen Leuchtturm ansah und den zweiten Schwung Ansichtskarten verschickte.

Leuchtturm Biarritz Nord.

HORA hatte sich bei meiner Rückkehr schon ziemlich aufgewärmt und an den Strand wollte ich ehrlich gesagt auch nicht mehr. Daher habe ich lang einigem Hin und Her nochmal eine Runde eingekauft, bin zum Flugplatz zurück und habe mich auf dem Indianergelände noch ein bisschen gesonnt. Der letzte Abend in Frankreich fiel dementsprechend sehr ruhig aus.

Weiter geht's mit meinem Reisebericht Donostia-San Sebastián.