Cabourg und Hermanville-sûr-Mer

Cabourg und Hermanville-sûr-Mer

Nach meinem Besuch im Monet-Dorf Giverny wollte ich endlich an die Küste, an den Ärmelkanal. Um meine Ankunft in Cabourg, Wäschewaschen, Geschichtskultur in Frankreich und die ersten Tage am Strand geht es in diesem Eintrag.

An die Küste

Die Fahrt von Parville nach Cabourg war mehr oder weniger unproblematisch. Die Landstraße verläuft bis nach Lisieux kerzengerade, nur alle paar Kilometer wird man von einem der obligatorischen Kreisverkehre gegängelt. Ab Lisieux wurde es wieder abenteuerlich, weil sich die Straßenlagen dann dem Bild, dass ich von der Normandie im Kopf hatte, anpasste. Spurbreiten von vielleicht einem Meter neunzig, von Schlaglöchern gezeichnete, gewundene Straßen - begrenzt durch halbhohe Steinmäuerchen, Apfelbäume und dem einen oder anderen Gehöft. Sehr idyllisch, aber auch anstrengend zu fahren.

Endlich Meer

In Cabourg ging es dann auf den Carrefour-Parkplatz (Supermarkt), auf dem man laut App-Information eine Nacht lang stehen konnte. Die Vorfreude aufs Meer war mittlerweile ins Unermessliche gestiegen, deswegen habe ich mich gleich auf mein Rad geschwungen und bin die 800 Meter bis zum Strand gefahren.

Weder das Bild noch die ihm zu Grunde liegende Realtität waren nüchtern betrachtet übermäßig beeindruckend, aber das war mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Ich war schon seit Jahren nicht mehr am Meer und hatte sofort viele schöne Kindheitserinnerungen im Kopf, gerade weil die Umgebung große Ähnlichkeit mit der Nord- und Ostseestädtchen hatte, in denen wir früher immer Urlaub gemacht haben. Mir war gar nicht wirklich bewusst, dass ich die Küste und diese Perspektive der "endlosen Weite" so sehr vermisst hatte. Nach einigem Hin- und Hergefahre und dem allmählichen Abklingen des Dauergrinsens im Gesicht bin ich natürlich direkt zum Wasser. Auch Herakles, mein Reise- und Schutzschwein, musste diesem denkwürdigen Augenblick beiwohnen.

Ich habe ihn von meinen Lerngruppenmädels (das ist so anonym und präzise wies geht, sorry Mädels :P) zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen. Benannt nach dem griechischen Schutzgott der Reisenden hat er mich bisher nie im Stich gelassen und durfte daher schon von dem Eiffelturm und in Versailles posieren. Es scheint ihm auch hier am Meer sehr gut zu gefallen.

Den Tag habe ich dann ganz klassisch verbracht: Meer und Menschen beobachten, Entspannen, am Strand spazieren gehen und das nächste Buch lesen ("Kühn hat zu tun" - wie der gesamte kommende Lesestoff bei der Buchhändlerin in Paris gekauft und bisher ganz gut). Beim Spazieren durch die sich auslaufenden Wellen sieht man dermaßen viele Einsiedlerkrebse um seine Füße huschen, dass deren Name eigentlich ad absurdum geführt wird. Außerdem mussten natürlich Muscheln gesammelt werden, das hat man schließlich schon immer so gemacht wenn man am Meer war. Zum Schwimmen bin ich an dem Tag noch nicht gekommen - hatte intelligenterweise meine Badehose vergessen und war mit allen anderen Aktivitäten eigentlich ganz gut bedient. Um sieben bin ich dann zurück zum Supermarkt und habe mich v.a. um das ganze digitale Reraffel gekümmert.

Einschub: Die Verbindung zur Außenwelt

In Reims habe ich mir eine Prepaid-SIM-Karte von Orange gekauft. Orange deshalb, weil ich davon schon gehört hatte und es das einzige Mobilfunkgeschäft war, dass ich finden konnte. Die Kommunikation mit der zuständigen Verkäuferin gestaltete sich eher schwierig, aber am Ende hatte ich in etwa das was ich wollte: 2 Gigabyte Datenvolumen. Nebenbei noch unbegrenzte Anrufe/SMS innerhalb Frankreichs, aber das hat mir bisher noch nicht so viel geholfen. Das Problem am französischen PrePaid-Tarif ist allerdings, dass nach 2 GB wirklich Schluss ist; da gibt es keine Drosselung sondern die Datenverbindung wird einfach gesperrt. Das macht die Geschichte natürlich etwas riskant, gerade zum Ende meines Aufenthalts in Frankreich (den ich jetzt anhand meiner Vertragslaufzeit auf den 13. August datiert habe).

Deswegen bin ich als "Internetabhängiger" (Einerseits gewöhnungsbedingt durch jahrelanges Training. Andererseits ganz praktisch, WhatsApp und v.a. Google Maps sind wohl doch irgendwie unverzichtbar) ständig auf der Suche nach W-Lan Hotspots. Frankreich ist da im Vergleich zu Deutschland echt sehr gut erschlossen: Jede Stadt und jedes Dorf, das etwas auf sich hält oder nur im Geringsten mit Touristen zu tun hat, bietet kostenlose Hotspots an. Dazu kommen diverse Cafés, Museen, FastFood-Ketten (v.a. McDonalds) und eben auch Supermärkte.

Da die Geschwindigkeit bedingt durch Standort und Anzahl der W-Lan-Verbindungen natürlich nicht immer berauschend ist muss man sich entsprechend intelligent positionieren und einen langen Atem haben. Ich versuche dann so viele Bilder wie möglich zu verschicken, mein System auf dem aktuellen Stand zu halten und in Zukunft auch diesen Blog immer wieder mit Neuigkeiten zu versorgen.

Waschtag in Hermanville

Nach einer ruhigen Nacht auf dem Supermarktparkplatz und meinem letzten Tankstopp für den Monat (fast jeder französische Supermarkt hat eine hauseigene Tankstelle) bin ich dann los Richtung Hermanville-sûr-Mer, einem Ort, in dem es wohl eine kostenlose Wohnmobil-Versorgungsstation geben sollte und der auch direkt am Meer liegt.

In Hermanville angekommen wurde ich nicht enttäuscht: Trinkwasser und Entsorgungsanlagen waren tatsächlich umsonst, sodass ich den (Vor-)Mittag dem Wäschewaschen widmete. Eigentlich kann man auch das bei vielen Supermärkten für 4€ mit öffentlich zugänglichen Maschinen bequem erledigen (Ich glaube über die Vorteile von französischen Supermärkten für Reisende muss ich mal einen eigenen Artikel schreiben), aber ich wollte das unbedingt mal selbst probieren. Zum Einen, weil ich mir extra eine Kanutonne mit 26 Litern dafür gekauft hatte, zum Anderen, weil nicht garantiert ist, dass sich die europäische Waschmaschinenautomatenabdeckung auf meiner zukünftigen Strecke ebenso positiv präsentiert. Da muss man sowas für den Notfall schon einmal getestet haben.

Das Waschen war anstrengend, klappte aber ganz gut: Wäsche einweichen, Wasser aufkochen und dazukippen, Waschmittel rein und dann eine dreiviertel Stunde lang durchrühren und kneten, ausspülen, auswringen, fertig. Meine Arme waren durch die scharfen Innenkanten der Kanutonne ziemlich verkratzt und sahen aus wie von einem sehr schlechten Emo angeritzt. Aber die Wäsche war sauber und so trocken, dass man sie aufhängen konnte.

Das ist kein Bild aus Hermanville, sondern von meiner ersten Automatenwaschaktion in La-Ferte-Milon, aber es zeigt gut wie es im Bus aussieht, wenn die Wäsche trocknet. Leider gab es in der Nähe keine Möglichkeit die Sachen frei aufzuhängen und daher dauerte die ganze Geschichte dann doch zwei Tage, bis alles wirklich staubtrocken war.

Hermanville, der D-Day und die Geschichtskultur in Frankreich

Nachmittags ging es dann wieder zum Strand. Auf dem Weg dahin konnte ich noch ein paar "normannische Impressionen" einfangen. Die Kuhweide lag direkt nebem meinem Rastplatz.

Beim Spazieren durch die Gemeinde (irgendwas zwischen Dorf und Markt in deutschen Maßstäben) wurde deutlich, dass der Ort sehr von seiner Geschichte während des D-Days am 6. Juni 1944 geprägt war. Anscheinend landeten hier am Sword Beach ein britisches und ein kanadisches Bataillon, und im Gegensatz zum berücktigten Omaha Beach wohl relativ unversehrt. Hermanville-sûr-Mer hat wie fast jeder Ort hier eine Avenue du 6 Juin genannte Hauptstaße, Nebenstraßen benannt nach alliierten Bataillonsführern und Generälen sowie einige Denkmäler und Infotafeln. Irgendwo in der Nähe scheint es sogar einen Ort namens Montgomery zu geben.

Wie auch schon in Verdun und in Paris weicht die vermittelte Geschichtskultur hier schon sehr stark von dem ab, was man so in Deutschland gewohnt ist. Es ist wohl der Versuch einer neutralen, informativen, manchmal recht wortkargen Darstellung des historischen Ereignisses, der aber ständig unterbrochen wird von Heldengeschichten; von Soldaten, die ihren Mann stehen (teilweise auch Frauen, Mädchen, Jungen, Tiere...), Abenteuer erleben, "Krieg spielen". Dabei ist es unerheblich, ob es um den ersten oder zweiten Weltkrieg geht. Die Situation unter der deutschen Besatzung bzw. die deutsche Position im ersten Weltkrieg wird kaum beleuchtet, genausowenig wie die Alltagsgeschichte oder Hintergrundinformationen zu verschiedenen Ereignissen. Vieles wird einfach präsentiert, ohne irgendwie in einen größeren Kontext eingebettet zu werden, ohne Herstellung von Bezügen und v.a. ohne ein erkennbares moralische Fazit. Schon allein die große Anzahl Kinderbüchern (Zielpublikum: 10 Jahre und jünger!), die die beiden Weltkriege und hier eben den D-Day als ein einziges großes Abenteuer beschreiben, wirken aus deutscher Sicht seltsam fehl am Platz. Im Rahmen meines Ausflugs nach Caen (nächster Reisebericht) hätte ich gerne in die Ausstellung im Memorial de Caen besucht, die angeblich vieles besser machen soll (wobei auch hier die genannten Kinderbücher verkauft werden... ich muss bei Gelegenheit mal eins fotografieren). Aber leider war der Eintrittspreis mit meinem Monatsbudget dann doch nicht ganz vereinbar.

Tag am Meer

Nachdem ich mir die ganzen Informationstafel zum Ablauf der Invasion und dem Schicksal eines norwegischen Kreuzers, den die Deutschen hier wohl versenkten, durchgelesen hatte, bin ich zum Strand. Ich habe mir im Laufe der Jahre eine ziemlich intensive Radfahrerbräune zugelegt, die es auch im Rahmen dieser Reise zu bekämpfen gilt. Also war zusätzlich zu meinem normalem Strandprogramm (der wegen der Kratzwunden erstmal um die Aktivität "Schwimmen" gekürzt wurde) Sonnenbaden angesagt. Klares Fazit nach einer guten Stunde im Halbschlaf: So ein ordentlicher Sonnenbrand kaschiert immerhin die Übergänge zwischen Blässe und Bräune, von daher passt das schon.

Der Strand in Hermanville ist ein wunderschöner Sandstrand, nicht besonders breit (20 Meter vielleicht), aber ausreichend lang, sodass man sich nicht auf die Füße tritt. Bilder habe ich leider vergessen zu machen. Der Abend im Bus wurde damit verbracht, sich irgendwie mit den halbnassen Kleidungsstücken zu arrangieren und sich von den langsam eintrudelnden Wohnnmobilisten nicht zuparken zu lassen.

Weiter geht's mit meinem Reisenbericht Caen.