Die Fähre aus Barcelona hatte mich sicher auf italienischen Boden gebracht. Jetzt hieß es, möglichst schnell nach Rom zu kommen. Leider ging das — bis auf ein hoffnungsvolles "Hineinschnuppern" — nicht so glatt, wie geplant. Von meinem sehr holprigen Start in Italien berichtet dieser Eintrag.
Mein Weg nach Fiumicino

Der erste Morgen in Italien war ruhig und gemütlich. Der Himmel war wieder etwas klarer und man hatte beim Morgenkaffee einen guten Blick auf Stellplatz und Meer. Relativ zügig ging es dann weiter zum nächsten Standort, den ich mir in Granollers herausgeschrieben hatte: Ein kleiner Parkplatz in der Nähe des Flughafens "Leonardo da Vinci" Fiumicino, des größeren der beiden internationalen Flughäfen Roms. Dort hin führte die Via Aurelia, eine über 2200 Jahre alte Trasse von Genua über Pisa nach Rom. Natürlich erinnert außer ein paar pseudoantike Wegmarkierungen wenig an ihre Ursprungszeit, dennoch war das Fahren auf dieser Straße, auf der sich schon was weiß ich wie viele Millionen Menschen der vergangenen Jahrtausende bewegt hatten und das Mittelmeer betrachteten ein erster Einblick in die Tatsache, dass fast alles hier irgendwie einen römischen Rückbezug hat. Das "alte Rom" liegt praktisch immer irgendwie unter dem modernen Italien. Eine — vor allem im weiteren Verlauf meiner Reise — sehr tröstende Feststellung.
Die Eingewöhnungsphase aus dem französischen Dorfverkehr und dem spanischen "Testparkour" kurze nach Grenzübertritt vermisste ich hier ein bisschen. Es ging gleich richtig in die Vollen. Die Italienier Hupen zur Kommunikation wesentlich öfter als ich das gewöhnt bin, und man darf wohl auch nicht jedes Hupen als persönlichen Angriff auf seine Fahrweise nehmen. Manchmal wollen sie einen freundlich winkend nur darauf hinweisen, dass sie jetzt zuerst fahren werden. Durch die fehlenden Fahrbahnmarkierungen muss man die Vorfahrt manchmal aushandeln (ist eine große Kreuzung z.B. wirklich eine Kreuzung oder nicht eher ein kleiner Kreisverkehr?) oder stur vor sich hin fahren (zweispurig auf einspurig funktioniert z.B. in dem die Fahrbahn einfach immer dünner wird; wer noch schnell links vorbei will, überholt knapp und hupt wie blöd). Zusammen mit deutlich zu niedrig angesetzten Höchstgeschwindigkeiten außerhalb von Ortschaften (50er-Schilder bei guter Fahrbahn und keinerlei Bebauung) fördern diese Straßenverhältnisse leider einen gewissen "Arschloch"-Fahrstil. So kommt es durchaus vor, dass an einer roten Ampel ein Auto aus der Schlange ausschert, sich ganz an die Spitze und damit halb auf die Kreuzung stellt, und beim ersten Anzeichen eines langsamer werdenden Gegenverkehrs mit quietschenden Reifen davonrauscht. Das war alles etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Italien ist damit bisher mit Abstand das anstrengenste Land für mich als nicht sehr routinierten Autofahrer.
Die Via Aurelia bleibt über die meiste Zeit in Küstennähe und schlängelt sich ab und an durch einige größere Orte hindurch. Kurz vor Rom bog ich dann Richtung Flughafen auf eine schnurgerade Landstraße ab, die mich die letzten paar Kilometer nach Fiumicino bringen sollte. Entlang dieses Weges hatte sich ein ziemlich erbärmlicher Straßenstrich breitgemacht. Die Mädels saßen in vermüllten Einbuchtungen auf kaputten Plastikstühlen und starrten entweder geistesabwesend in die Gegend oder versuchten die Fahrer mit mehr oder weniger lasziven Gesten zum Anhalten zu bewegen. Die Wagen der Freier parkten dann meistens direkt neben den Plastikstühlen; hier schien es niemand irgendwie diskret haben zu wollen. Gerade diese Unverblümtheit hat mich irgendwie schon beschäftigt; die Straße war gut frequentiert und es war wirklich nicht weit bis zu den nächsten Dörfern. Wer weiß, wie sich das etablieren konnte.
Mein Parkplatz in Fiumicino bot zum Glück ein gutes Kontrastprogramm. Ich stand vor einer Art Kindergarten mit kombiniertem Kulturzentrum in einem Viertel mit relativ modernen Mehrparteienhochhäusern und einer großen Shopping Mall. Gerade letztere war zwecks Toiletten und Einkaufsmöglichkeiten sehr praktisch. Außerdem dachte ich mir, dass es hier ja wohl irgendeinen W-Lan Hotspot geben musste. Bis jetzt konnte ich noch niemandem Bescheid geben, dass die Überfahrt gut geklappt hatte.
Roma!
Öffentliches W-Lan auf italienisch ist aber ein ziemlich Krampf, wie sich schnell herausstellte. Man braucht qua Gesetz eine italienische Handynummer oder eine Kreditkarte, um sich anzumelden und so bei vermeintlichem Missbrauch haftbar gemacht werden zu können. Beides hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Plan B bestand folglich darin, gleich nach Rom zu fahren und dort in der Touri-Info sowohl nach einem passenden Programm als auch nach eventuellen Mobilfunkalternativen zum W-Lan zu fragen. Eigentlich wollte ich mir eine dritte SIM-Karte für die letzten drei Wochen sparen, aber wenn man so gar keine Verbindung zur Welt zu Hause aufnehmen kann ist es ja auch blöd. Außerdem wollte der Blog hier ja aktualisiert werden.
Die Haltestelle befand sich zum Glück gleich um die Ecke und das Ticket war schnell gelöst. Zugfahren mit Trenitalia ist einigermaßen günstig (2 Euro für eine dreiviertel Stunde Fahrt) und die Züge sind in einem Top Zustand. Leider verfranzte ich mich auf dem Hinweg ein bisschen, weil mir nicht klar war, dass ich zum Hauptbahnhof (Roma Termini) hätte umsteigen müssen. Ich fuhr also an meiner Umsteigestation vorbei, musste dann nochmal zurückfahren nur um festzustellen, dass der nächste Zug erst in einer Stunde fuhr. Also beschloss ich den restlichen Weg von Roma Tuscolana zur Touristinformation in der Via dei Fori Imperiali zu Fuß zurückzulegen.
Eine gute Entscheidung, wie sich bald herausstellen sollte. So kam ich nämlich am Lateran samt Basilika und Obelisk vorbei. Dabei interessierte mich ersteres nicht ganz so sehr wie der 3500 Jahre alte, riesige Steinblock, den wohl Konstantin I. nach Rom überführt hatte. Ich muss dazu sagen, dass ich mich für mein Staatsexamen ziemlich viel mit der römischen Geschichte auseinandersetzen musste, und Rom deswegen nicht nur als Hauptstadt von Italien für mich ein wichtiges Ziel meiner Reise darstellte. Im Gegenteil, eigentlich sollte sich fast alles um die antike Vergangenheit der Stadt drehen; Rom als Sitz der katholischen Kirche inklusive dem ganzen sakralen Pomp interessiert mich nicht so sehr.


Antike "Vergangenheit" ist dabei eher relativ. Das Tolle an dieser Stadt ist ja, dass es so ein enormes Spannungsverhältnis zwischen Altem und Neuem gibt. Da fährt eine Straßenbahn durch ein Tor in der 1700 Jahre alten aurelianischen Mauer, hochgeschossene Glasgebäude weichen ebenso mächtigen Aquädukten aus und Jogger mit Fitnessarmband und iPhone 6 drehen im Circus Maximus ihre Runden. Ich glaube ich zuletzt darin besteht der enorme Reiz, den diese Stadt auf mich und all die anderen Touristen ausübt. Man weiß manchmal gar nicht, in welcher Zeit man sich bewegt, so eng sind sich die verschiedenen Epochen im Stadtbild miteinander verwoben.

Vom Lateran aus führt eine kleine Einbahnstraße relativ zielsicher auf das Colosseum zu. Ähnlich wie beim ersten Blick auf das Meer in Cabourg verfiehl ich eine Zeit lang in einen Zustand seeligen Dauergrinsens beim Anblick dieses Monuments sowie der umgebenden Triumphbögen, Gebäude und Plätze des Forum Romanum. Ein bisschen erlaubte ich mir herumzulaufen und zu fotografieren. Mein eigentliches Ziel war aber nach wie vor die Tourist-Info, und da es langsam spät wurde raffte ich mich auf und tappte die letzten Meter zum Ziel.


Die Info-Dame wollte unbedingt Deutsch mit mir reden, was mir ehrlich gesagt gar nicht so gefallen hat. Auf Englisch muss ich mich nicht dazu zwingen, besonders einfache Sätze zu bauen; ich kanns ja nicht besser. Auf Deutsch ist das irgendwie unnötig kompliziert. Naja, ich bekam allerhand Info-Material in die Hand gedrückt und als krönenden Abschluss einen Stadtplan auf Chinesisch. Sie meinte, sie kann mir auch noch Arabisch und Russisch anbieten, aber der Chinesische sei der Beliebteste. Hmpf. Wenigstens war alles wichtige auf Italienisch/Latein, von daher ging es einigermaßen in Ordnung. Es war ja auch nicht weiter schlimm, aber irgendwie trug das zu meiner sich immer klarer herauskristallisierenden Meinung bei, dass die Italiener eine viel höhere Portion Wurschtigkeit an den Tag legen (müssen), als es in anderen Regionen der Fall ist. Vielleicht kann ich später noch genauer an anderer Stelle präzisieren, was ich damit meine.
Die Frau hatte leider insgesamt nicht so viel Zeit für mich wie gehofft. Außerdem gab es zwischenzeitlich einen sehr starken Regenschauer und so schlug ich mir die Zeit ein bisschen tot, indem ich das Infomaterial durchblätterte und online (ich hatte doch noch meine E-Plus SIM mit ein bisschen Guthaben) nach Ticketstreifen und Mobilfunkanbietern (WIND und TIM hatte die Frau gemeint soll ich suchen) recherchierte.
Relativ zügig ging es dann zum Bahnhof Termini und mangels Alternativen mit einem normalen Ticket zurück zum "Parco Leonardo". Hier kaufte ich noch schnell ein bisschen Abendessen ein und kehrte dann zu zum Auto zurück. Hatte mich für einigermaßen frische Nudeln mit Gorgonzolasoße entschieden. Der Abend wurde damit verbracht, sich ein bisschen einen Plan für den nächsten Tag zurecht zu legen; ich wollte möglichst früh los und mich v.a. mit den Foren und dem Colosseum beschäftigen.
Mieser Samstag
Der Tag begann schon ziemlich unangenehm und ungeplant: Beim Umbau meines Bettes auf Sitzposition musste ich feststellen, dass sich eine Ameisenkolonie irgendwie einen Weg in meinen Bus gebahnt hatte. Hunderte der kleinen Viecher hatten sich auf den leeren Sahnekarton vom Vorabend und v.a. auf den Honig in meinem Vorratsschrank gestürzt. Durch die relativ klar verfolgbare Ameisenstraße konnte ich den Ursprung allen Übels ausmachen. Ein ziemlich hohes Unkrautgewächs berührte den vorderen linken Kotflügel von HORA und war sozusagen die Enterbrücke ins Fahrzeug. Über den Motorraum und durch die Ritzen in Türen und Schiebetürmechanismus gelangten die Ameisen in meine Küche. Ich schnitt das Unkraut ab und versuchte dann die verbliebenen Viecher hinauszukehren. Nach zwei Stunden waren die großen Straßen zerstört und die Anzahl an Ameisen von "widerlich viele" auf "tolerabel" geschrumpft. Eine Woche nach dieser Aktion schleichen hier immernoch genug von denen rum (am Tag töte ich vielleicht 4-5), aber es werden glücklicherweise immer weniger.
Auf Rom hatte ich wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit dann erstmal keine Lust mehr. Stattdessen ging ich ins Einkaufszentrum und fand einen WIND-Stand, an dem ich relativ unkompliziert (5 Minuten) eine SIM-Karte mit 5 GB Datenvolumen für 25 Euro bekam. Das ist eigentlich ganz fair. Aktiviert wurde das Ding aber erst abends, musste mich also noch ein bisschen gedulden. Plan B war die Besichtigung von Ostia, laut Google Maps 13 Kilometer Fußweg von meinem Standort entfernt und daher super mit dem Rad zu erreichen.
Ostia war in der republikanischen Zeit (also so ca. bis Caesar) neben dem römischen Binnenhafen die wichtigste Handelsverbindung der Hauptstadt zum Rest des Reiches. Dementsprechend viele Ausgrabungen sollte es dort zu sehen geben. Leider gestaltete sich der Weg dorthin nicht ganz so einfach wie gedacht. Die Via Portuense war nicht befahrbar und der Fußweg daneben war zwar neu angelegt, aber wohl seit einigen Jahren nicht mehr gepflegt worden. Hier waren die Pflanzen, die den Ameisen zu meinem Honig verholfen hatten teilweise schon einen Meter hoch... Nach ein paar Kilometern wurde es besser und ich kam zur Brücke über den Tiber, die aber auch nur von Autos zu passieren war. Die nächste, wesentlich kleiner Brücke war noch ein bisschen weiter im Westen. Ich sah mich um und entdeckte unter der Autobrücke auf einem umzäunten Gelände einen kleinen Infostand. Es stellte sich heraus, dass ich seit geraumer Zeit an den Ausgrabungen des Portus Romae, eines von den Kaisern Claudius und Trajan geschaffenen, künstlichen Frachthafens vorbeifuhr. Von dem hatte ich bei meiner Examensvorbereitung noch nichts gehört (bzw. evtl. schon wieder vergessen, wie leider das Meiste, was ich mir so reingekloppt habe für diese Prüfung). Musste natürlich besichtigt werden!
Das Infomaterial war gut gemacht und die Infotafeln auf dem zu einer Parkanlage umgestalteten Gelände ebenfalls. Scheinbar war der Portus in der Kaiserzeit weitaus wichtiger als Ostia und wurde sogar in der Spätantike befestigt. Während die Alamannen und Westgoten Ostia entvölkerten ließ es sich hier bis ins 5. und 6. Jahrhundert wohl noch ganz gut leben. Beeindruckend sind neben den Fundamenten der großen Lagerhallen und Wirtschaftsgebäuden vor allem das bis heute erhaltene, hexagonförmige Hafenbecken Trajans. Wenn man in Fiumicino landet, soll man es deutlich aus der Luft erkennen können.




Gegen 15 Uhr musste es dann aber weitergehen, wenn die Sache mit Ostia heute noch klappen sollte. Die kleine Brücke war schnell gefunden und ich fuhr größtenteils auf sehr "hügelig" angelegten Fußgängerwegen den Schildern und meinem Handy nach. Nach einer weiteren Brücke über einen Tiber-Arm war es dann aber entgültig vorbei mit dem Fußweg und die Straße wurde zur Schnellstraße. Mist. Ich fuhr ein bisschen außenrum durch die nördlichen Ausläufer von Lido di Ostia (das "eigentliche" Ostia heißt heute Ostia Antica und liegt nicht mehr am Meer) und versuchte so, mein Ziel zu erreichen. Nach einer weiteren Stunde gab ich entnervt auf: Ich war wieder an der Schnellstraße gelandet, an der es nicht mal einen Trampelpfad zu den Ausgrabungen gab. Der Rückweg gestaltete sich auch nicht so einfach, weil ich viele Einbahnstraßen gefahren war, die ich jetzt umgehen oder schiebend hinter mich bringen musste. Bei einem Bootsclub fragte ich dann nochmal nach dem Weg und erhielt nebenbei die Bestätigung, dass es absolut unmöglich ist, zu Fuß oder mit dem Rad die 13 Kilometer von Fiumicino nach Ostia Antica zu kommen... außer man kurvt zusätzliche 30 Kilometer außenrum. Ganz klasse... Zu meiner schlechten Stimmung trugen die furchtbaren Straßenverhältnisse, das mittlerweile immer schlechter werdende Wetter und die unglaublichen Müllberge bei, die sich überall auftaten. Die Müllentsorgung in Rom ist wohl mittlerweile genauso furchtbar wie in Neapel. Zwar ist hier noch nicht die Mafia am Werk, aber der "normale Filz" reicht auch aus, um die Hauptstadt und ihre Umgebung in einen extrem unansehnlichen Ort zu verwandeln.

Der absolute Höhepunkt wartete auf mich allerdings bei meiner Rückkehr. Beim Aufschließen der Beifahrertür bemerkte ich, dass das der Wetterschutz weggebogen und das Schloss seltsam ausgedellt war. Außerdem war die Tür nicht mehr verschlossen... Ehrlich gesagt war ich gar nicht wütend oder hatte Angst, was alles geklaut worden war. Ich war einfach nur noch maßlos enttäuscht. In Paris stand ich drei Tage in einer Straße, in der angeblich am Wochenende Drogen verkauft werden und sich Leute prostituieren und es gab nicht mal ansatzweise ne brenzliche Situation, wobei ich da schon ein wesentlich schlechteres Gefühl hatte... und hier wird man am ersten Tag vor einem Kindergarten ausgeraubt.


Mit einer gewissen Lustlosigkeit öffnete ich die Seitentür und begutachtete das Chaos. Alle Schränke waren aufgerissen und durchwühlt worden. Allerdings war glücklicherweise nichts weggekommen. Scheinbar waren die Diebe wirklich nur hinter Geld her; der Laptop (Gammelkiste, aber bestimmt noch nen 100er wert) oder meine vergleichsweise teuren Bluetooth-Boxen waren nicht angerührt worden, obwohl ich sie nicht wirklich versteckt hatte. Vielleicht waren sie auch nur gestört worden oder die Ameisen hatten sie angeekelt; ich weiß es nicht. Ich machte Fotos und räumte danach alles wieder ein. Die Polizei zu informieren hielt ich irgendwie für überflüssig. Ich hätte ja nicht mal Hinweise geben können. Frustiert ging ich noch einmal schnell in den Supermarkt um mir frische Milch für den nächsten Tag zu holen. Der "Kaufhauscop" pfiff mich nach wenigen Metern zurück und versiegelte alle meine Rucksackfächer mit dünnem Klebeband. Wegen der Diebstahlgefahr, meinte er.
Ziellos
Klar war, dass HORA hier nicht bleiben konnte. Obwohl die Diebe wohl einigermaßen routiniert waren und das Schloss nicht zerstörten, hatte ich das Gefühl, dass sie hier mehr oder weniger Freiwild war. Mein Plan B aus Barcelona sah vor nach Castel Gandolfo zu fahren; da war wohl noch ein ganz gut bewerteter Stellplatz. Das Wetter war mies, was meine Stimmung auch nicht ganz so schnell regenerieren ließ wie erhofft. Die Route führte mich zeitweise über die römische Ringautobahn und dann nach Süden auf die Via Appia Nuova, eine im Wechsel zwei- und einspurige Straße, die in Richtung des zweiten Flughafens Ciampino führt. Hier durfte ich dann auch erfahren, wie es ist, eine schlechte italienische Straße statt mit dem Fahrrad mit dem Auto zu fahren. Es ist furchtbar. Sind bis jetzt mit Abstand die schlechtesten Straßen, die mir untergekommen sind; ich bin wirklich nicht gerast und habe erst heute feststellen müssen, dass es mir wohl bei einer dieser Huckelpisten die Spur verzogen hat.
Ich weiß, dieses typische "Urteile bilden über eine ganze Nation", nur weil man mal ein paar Wochen (im Moment gerade erst eine!) durchgefahren ist und mit einem Bruchteil der Menschen Kontakt hatte, ist nicht wirklich sinnvoll und produktiv für zukünftige Besuche ist es auch nicht. Aber diese ganze Situation... die schlechten Straßen, um die sich keiner kümmert, der Müll, chinesische Stadtpläne weil alle anderen Karten aus sind, falsche (italienische) Angaben zum Stellplatz (siehe unten), schwierige W-Lan-Konfiguration, die sogar die Touristinfofrau abschreckt ("WiFi ist Quatsch!") — all das bestärkt irgendwie meine Ambivalenz zu diesem Land. (Bitte macht es nicht alleine an den Beispielen fest, ich habe noch genug zu erzählen) Ich finde wenig bella am heutigen Italia, und mir tun die Menschen leid, die sich mit dem ganzen Schmarrn rumschlagen müssen. Ich bin in zwei Wochen wieder weg, aber die leben hier und müssen sich Tag für Tag mit dem Mist auseinandersetzen. Und ja, ich weiß auch, dass sich mein Hirn, jetzt wo ich meine diese Meinung gebildet haben zu müssen, krampfhaft alles zusammensucht, um sich selbst darin zu bestätigen. Vielleicht hätte ich eine andere Meinung von Spanien gehabt, wenn ich z.B. in Barcelona schon ausgeraubt worden wäre. Aber der Einbruch ist es eigentlich gar nicht; es ist dieses "ja, es geht alles irgendwie, aber es geht schleppend... und es geht langsam oder mit Umwegen oder mit Glück" oder was weiß ich was... Vielleicht ein kleines Tief im Moment. Die nächsten Tage in Rom waren z.B. wieder super, aber davon das nächste Mal mehr.
In Castel Gandolfo angekommen musste ich feststellen, dass der Stellplatz a) sehr begrenzte Stellzeiten hatte und b) in seiner "wirklichen" Funktion als Schulparkplatz diente. Da im Latium die Schulen am Montag, also am nächsten Tag anfingen und ich spätestens dann garantiert verschwinden musste, war guter Rat teuer. Viele Möglichkeiten gab es in der Umgebung nicht, und da ich wirklich etwas Sicheres für mehrere Tage haben wollte fand ich mich damit ab, auf einen Campingplatz zu fahren. Spontanbuchungen kosten natürlich extra und es war immer noch Hochsaison, also gab es nichts unter 35€ die Nacht. Der das Online-Buchungsformular der meisten Plätze funktionierte nicht, obwohl die Seiten alle sehr modern gestaltet waren. Und da ich nicht wusste, dass ich sogar ein bisschen Guthaben auf der SIM-Karte hatte, verbrachte ich die Zeit damit, E-Mails an die wichtigsten Adressen zu schreiben.

Warten auf eine Antwort konnte ich aber nicht lange; die Zeit drängte ja. Zum Glück traf ich eine italienische WoMo-Familie und mit Hilfe ihrer englischsprechenden Tochter konnte mir der Vater einen erstaunlich günstigen Stellplatz in der Nähe empfehlen (15 Euro Maximum!). Die Addresse fand sich im Navi und in Google Maps und so bedankte ich mich und fuhr schnellstens ein Stück zurück Richtung Ciampino. Mittlerweile gewitterte es ordentlich und mein rechtes Scheibenwischerblatt gab unter den Regenmassen nach; zum Glück funktionierte die Fahrerseite noch. Kurz vor dem Ziel wurde mir die Durchfahrt allerdings durch einen zugemauerten Bahnübergang blockiert; den mein Navi nicht kannte und sich mit einer Alternativroute sehr schwer tat. Eine halbe Stunde und einige laute Flüche später stand ich endlich vor dem Eisentor mit einem stark verwitterten "Camping Sassone"-Schild. Die Klingel war wohl kaputt, man musste stattdessen anrufen. Da bemerkte ich dann, dass ich 2€ vertelefonieren konnte, aber erwartete eigentlich nicht mehr, dass mir heute noch jemand aufmacht. Wie durch ein Wunder meldete sich allerdings eine männliche Stimme und nach ein paar Wortwechseln auf Italienisch und Englisch öffnete sich das Tor.
Weiter geht's mit meinem Reisebericht Rom.