l'Île d'Oléron

l'Île d'Oléron

Ich hatte mit dem Mont-Saint-Michel, Rennes und Nantes mittlerweile wieder drei Besichtigungstouren hinter mich gebracht, bei denen die See zumindest in den letzten beiden Fällen eindeutig zu kurz kam. Deswegen war mir nach ein paar Tagen wieder nach Strandurlaub, diesmal auf der "Ferieninsel" Île d'Oléron.

Reif für die Insel

Dass es wieder ans Meer gehen sollte war mir nach dem Aufbruch in Nantes relativ schnell klar; wo genau ans Meer wusste ich allerdings noch nicht. La Rochelle kam in Frage, die Île de Ré und eben l'Île d'Oléron. La Rochelle war mir dann doch zu nah und das einzige, was ich mit dem Ort in Verbindung bringen konnte war der U-Boot-Hafen aus dem zweiten Weltkrieg. Die l'Île de Ré hat schon eher meinen Geschmack getroffen, allerdings waren die Stellplätze da mit vielen Fragezeichen versehen; und so kurz nach der Geschichte in Beauvoir hatte ich keine Lust mehr auf morgendliche Polizeibesuche. Also die Île d'Oléron. Sie ist die größte der vor der westatlantischen Küste liegenden französischen Inseln, ich schätze sie ca. auf die Größe von Fehmarn. Erreichbar ist sie bequem über eine Brücke, für die man aber erst mal ein ganzes Stück in den Süden fahren musste.

Das Problem an Kreisverkehren

Normalerweise höre ich auf der Fahrt ganz normal meine Musik vom Handy oder irgendeinen französischen Kultursender, der irgendwie immer empfangen wird (meistens solange, bis ich weiß über was sie diskutieren; die Argumente versteh ich dann nicht mehr und schalte um). Dieses Mal wollte ich etwas Abwechslung reinbringen und hab mir ein paar Folgen "Die drei ???" aufs Smartphone gezogen. Jah, ich weiß, es sind Kinderhörbücher, aber ich bin damit aufgewachsen, die Sprecher sind klasse, die Fälle meistens auch und ich steh dazu ;). Die drei Stunden Audiomaterial haben sich bei der Anfahrt auf jeden Fall sehr bezahlt gemacht; sie wurden restlos ausgeschöpft.

So schön und sinnvoll Kreisverkehre für die Ordnung französischer Straßenverhältnisse sein mögen, sie haben ein entscheidendes Problem: Wird das Verkehrsaufkommen zu groß — z.B. weil Ferienzeit ist oder weil der Lieferverkehr die vielen kleinen Supermärkte anfahren muss, oder beides — verstopft das System sehr schnell. Fünf gleichberechtigte Straßen an einem Punkt umzuschlagen funktioniert halt leider nur bei wenig Autos. Und da die Kleinstädte durch die Kreisverkehre auch an ihre eigenen Umgehungsstraßen angeschlossen werden, was den Abstand zwischen zwei Kreisverkehren auf wenige hundert Meter verringert, wird das Chaos komplett. Dementsprechend habe ich an diesem Tag zwei Hörspielfolgen in Kreisverkehren, und dazwischen im Stop-and-Go verbracht. Sehr zermürbend das Ganze.

Richtung Insel wurde es dann immer besser, v.a. weil die Menschen eher weg als hin wollten... das Wetter war mal wieder bescheiden. Um drei Uhr war ich dann schließlich an meinem Übernachtungsplatz, einem Strandparkplatz, angekommen und hatte wieder mehr vor der Nase.

Ankommen am Strand

Der Strand bei la Cotinière.

Der aus Lingreville bekannte Sandstrand war hier weitestgehend einem Kieselstrand mit angeschlossenem "Riff" gewichen, das v.a. durch Sand, Muschelschalen und viele kleine Schneckenhäuser gebildet wurde. Nichts zum Baden, aber definitiv etwas zum gucken. Die Dünen auf der Île d'Oléron duften nach irgendeinem Kraut, dass mir sehr bekannt vorkommt. Ich konnte es aber weder lokalisieren, noch ist es mir im Laufe der vier Tage auf der Insel eingefallen. War was sehr intensives, was ich irgendwie Richtung "Bratengewürz" einordnen würde... dementsprechend konnte einem beim richtigen Wind schon das Wasser im Mund zusammen laufen.

Irgendwas roch verdammt lecker nach Braten. War es diese Pflanze...
... oder diese?

Da der Stellplatz etwas abgelegen war, holte ich mein Fahrrad aus seiner Garage und machte eine abendliche Erkundungsfahrt. Die Versorgungslage war eher schlecht, aber ich habe wenigstens ein bisschen Eindrücke von der Insel gesammelt. Es gibt drei oder vier Hauptorte im Zentrum, die wohl nach und nach die kleinen Fischerdörfer an der Küste eingemeindet hatten; ich habe mich daher in den vier Tagen streng genommen nur in einem Ort aufgehalten. Die Architektur ist noch ein bisschen mediterraner; weiße Häuser, hellrote Ziegel und bunte Fensterläden lassen die alten Fischerhäuser und vielen Ferienanlagen ganz gut aussehen.

Ein typischer Straßenzug auf der Île d'Oléron.

Der Hafen von La Cotinière

Hafenansicht La Cotinière. Hinter der Kamera muss man sich ein Touristenmeer vorstellen.

Den Abschluss meiner Erkundungstour bildete durch Zufall der Hafen eines dieser kleinen, "geschluckten" Fischerdörfer, la Cotinière. Hier fand gerade ein Volksfest statt und die Straßen waren brechend voll. Die Fischkutter hier waren insgesamt wesentlich kompakter und irgendwie auch stärker motorisiert als die gemütlichen Kähne, die ich so von der deutschen See kenne. Das hängt bestimmt mit den Fischbedingungen zusammen, wie genau weiß ich aber nicht.

Ein Fischkutter auf Steroiden.

Einen Leuchtturm gab es in la Cotinière auch, allerdings war der eher mickrig. Der Phare des Chassiron, auf den viele kleine Wegweiser aufmerksam machten, wurde daher schon einmal im Hinterkopf vermerkt.

Der putzige kleine Leuchtturm. Zum Größenverständnis: Durch die Tür kann kein Mensch aufrecht gehen.
Die Sonne bescheint den Sandstrand nördlich des Hafens.

Nach einen schönen Sonnenuntergang fuhr ich zum Auto zurück und widmete mich dem Buch, dass ich am Nachmittag angefangen hatte. "Alles Licht, das wir nicht sehen" von Anthony Doerr. Nach einer Weile habe ich meine 25-Seiten-Regel für gescheitert erklärt und das Buch innerhalb der vier Tage durchgelesen. Ein Wechsel aus Lese-Phasen und Nicht-Lese-Phasen macht für mich glaube ich mehr Sinn in Zukunft.

Alles Licht, das wir nicht sehen

Das Buch hat den größten Teil des zweiten und vierten Tages auf der Insel ausgefüllt; wie gesagt ich wollte ja einen Strandurlaub machen. Es ist interessant geschrieben; besteht aus über hundert kleinen Episoden, die grob zu dreizehn Kapiteln zusammengefasst werden. Doerr erzählt die Geschichte eines blinden, französischen Mädchens und eines radiobegeisterten, deutschen Jungen vor und während des Zweiten Weltkriegs. "Alles Licht, das wir nicht sehen" bildet die ganze Handlung hindurch ein bisschen die Verbindung zwischen den beiden (neben vielen anderen Sachen, aber ich kann sowas immer schlecht erzählen ohne zu viel zu verraten): Die elektromagnetische Strahlung im Lichtspektrum, die das Mädchen nicht sehen kann, weil es blind ist, und die, die kein Mensch sehen kann, weil es sich um Radiowellen handelt, "binden" die Handlung zusammen. Dabei geht es um Vertrauen, Glauben, Überzeugungen, Sehnsüchte und (Lebens-)Erwartungen und Entscheidungen; glücklicherweise nur sehr eingeschränkt um Liebe. Manchmal schreibt Doerr schon sehr anstrengend. Nicht hochgestochen, aber wiederholend, die Figuren haben oft ähnliche Gedanken und sehr viele Vergleiche, wo man leicht drüber stolpern kann. Insgesamt würde ich trotzdem sagen, dass es eines der wenigen Bücher ist, die ich öfter als ein Mal lesen würde, einfach auch weil man dann vielleicht mehr versteht.

Hm, jetzt ist das hier ohne es zu wollen doch so eine kleine Minirezension geworden. Ich weiß immer nicht, ob euch das so interessiert (genauso wie meine "Verkehrsbeobachtungen", ich glaube das ist über weite Strecken eher uninteressant zu lesen...). Allgemein schreib ich halt einfach unstrukturiert die Sachen runter, die mir auffallen, oder an die ich mich noch erinnern kann (mittlerweile sind die Ereignisse doch schon immer über eine Woche her, bevor sie aufgeschrieben werden). Über ein detailliertes Feedback á la "das interesssiert mich, das kannste weglassen" freue ich mich also immer :).

Am zweiten Tag ist mir außerdem zum ersten Mal richtig aufgefallen, dass ich jetzt wirklich an einem großen Meer bin. Bisher wusste man immer, — auch wenn man es natürlich nicht gesehen hat — dass es ein paar hundert Kilometer weiter schon wieder Land gibt; egal ob England in Cabourg oder Jersey in Lingreville. Jetzt aber war zum ersten Mal für tausende von Kilometern nichts mehr da. Der Gedanke verstellt einem doch ein bisschen die Optik, finde ich.

Am Abend fuhr ich ein paar Kilometer weiter nördlich zu meinem nächsten Stellplatz, v.a. weil man hier gerader stehen konnte.

Mein zweiter Stellplatz bei la Brioire.

Frisur stutzen

An Tag drei ging es dann schon wieder praktischer zu. Nach dem Frühstück nahm ich mich erstmal meinem Reifenproblem an. Ich habe eine relativ hochwertige Fahrradpumpe mit ziemlich präzisem Manometer, und nach einigem Für und Wieder bei der Internetrecherche entschied ich mich dafür, es mal damit zu probieren. Was soll man sagen? 4,5 Bar auf der Anzeige markiert, aufgepumpt, nachkontrolliert, fertig. Der Reifendruck passt jetzt wieder und ich fühle mich mit meiner Fahrradpumpe wesentlich sicherer, als mit komischen, sich mir nicht erschließenden Reifendruckgeräten.

Danach widmete ich mich den Problemen auf meinem Kopf und klapperte auf gut Glück die Friseure im "Zentral-Ort" St-Pierre ab, um einen kurzfristigen Termin ergattern können, was bei dem enormen Andrang nicht selbstverständlich war. Die Friseuse, die mir den Termin gegeben hat, hat sich gleich auf mein schlechtes Französisch eingelassen, und nachdem ich nach ein paar Sätzen dann doch ins Englische gewechselt bin ist sie sogar mitgegangen. Glücklich und zufrieden bin ich bis zu meinem Termin noch ein bisschen wartend durchs Kaufhaus geschlurft, in dem sich der Friseur befand.

In französischen Friseursalons ist das Waschen grundsätzlich dabei und ich wurde ziemlich schief angeschaut, als ich das anfangs nicht wollte. Dazu wird man auf Massagesessel verfrachtet, die grundsätzlich in der "ich-knete-dir-die-Eingeweide-raus"-Stellung laufen; man weiß gar nicht wie man sich setzen soll. Glücklicherweise bin ich dann auch noch zur oben genannten, ausgesprochen hübschen Friseusin gekommen und habe mich außnahmsweise dazu durchringen können, meine mir selbstsetzte Regel, während des Haareschneidens möglichst nicht zu reden, nicht zu befolgen.

Wir unterhielten uns über die verschiedensten Dinge. Irgendwann bin ich dann lobend auf ihr Englisch zu sprechen gekommen und wir haben uns ein bisschen über Fremdsprachenkenntnisse in Deutschland und Frankreich ausgetauscht. Sie hat gemeint, dass meine Beobachtungen schon in die richtige Richtung gehen, viele Franzosen schämen sich nicht so gut Englisch zu können, und reagierend entweder peinlich berührt oder eben aggressiv, weil sie sich "ertappt" fühlen. Sie erzählte sie wäre die einzige im Laden, die Englisch spricht/kann und dass auch nur, weil sie mal einen Freund aus Großbritannien hatte. Die "Lust" Englisch zu lernen wäre auch nicht besonders groß ausgeprägt und in der Schule kaut man viele Sachen viel zu oft durch... Ist natürlich schwierig eine Einzelaussage jetzt so zu verallgemeinern aber hat das für mich dann alles schon Sinn gemacht (mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht weiß, wie es mit der Lust auf Englisch in deutschen Schulen aussieht...).

Nach einer viertel Stunde waren die Haare kurz und ich verabschiedete mich gut gelaunt. Das wird jetzt auch das letzte Mal sein, dass ich über das Thema Englischkenntnisse in Frankreich schreibe, irgendwie taucht es ständig auf, ich hätte noch bestimmt 20 Geschichten dazu zu erzählen und nervt mich ein bissl an.

Phare de Chassiron

Auf dem Weg zum Leuchtturm: Ein großes Kieselturmfeld zum Mitbauen.

Nachmittags gings dann auf einer kleinen Radtour zum Phare de Chassiron. Das ist im Gegensatz zu dem von La Cotinière schon ein richtiger Leuchtturm, gute 40 Meter hoch und schön leuchtturmmäßig gestrichen. Vor der Besichtigung haben sich Herakles und ich aber erst einmal ein Eis gegönnt.

Nach der Fahrerei erstmal ein Eis. Citron verte (Lemone) war genau das richtige bei diesem Wetter.

Umgeben wird der Leuchtturm von einem kleinen Garten, in dem ganz nette Rätselstation um Funktionen bestimmter Bauteile aufgestellt sind. Es gibt auch eine Audiostation, die die Geschichte des Leuchtturms erklärt. Schon einer der fünf Ansagetexte dauert allerdings gute fünf Minuten und kann in 3 Sprachen abgespielt werden, weswegen sich mir die komplette Vergangenheit des Leuchtturms auch nicht so ganz erschlossen hat. War trotzdem ein schöner Ausflug.

Der "richtige" Leuchtturm am nördlichsten Zipfel der Insel.

Auf der Rückfahrt ging es dann nochmal in den Supermarkt, Abendessen kaufen. Samstag Abend ist mein "Luxus"-Abend, an dem es mal was geben darf, was ich mir unter der Woche nicht leisten würde, bzw. der Abend, an dem ich meistens größer aufkoche. Diesmal entschied ich mich für zwei leckere Fischspieße aus Lachs und Rotbarsch (glaube ich), die sich auf der ausladenden Fischtheke befanden. Das ist in den Küstenregionen schon ein Event an so einer Supermarkt-Poissonnerie vorbeizuschlendern. Leider weiß ich nur von den wenigsten Fischen bzw. Meeresfrüchten, wie man sie zubereitet, weswegen ich mich an die schönen Filets und Schnecken nicht getraut habe.

Soo viel leckerer Fisch... dabei zeigt dieses Bild gerade Mal ein Drittel des Angebots. Auch die Würstchen sind mit Fisch gefüllt.

Ruhiger Sonntag und der Weg nach Bordeaux

Der Sonntag stand dann nochmal ganz im Zeichen des Buches und der weiteren Reiseplanung. Kurzzeitig habe ich mir noch überlegt, das aus einer gleichnamigen 90er-Spielshow bekannte Fort Boyard zu besichtigen. Es liegt ein paar Kilometer weit weg von der Küste und ist auf einer künstlichen Insel mitten in die See gebaut. Allerdings hätte man für einen wirklich guten Blick eine Bootstour machen müssen, und dafür hat es mich nicht genug interessiert.

Mein nächstes Fahrziel war Bordeaux, so viel stand fest — auch wenn ich dafür über 200 Kilometer fahren musste. Allerdings wollte ich zwischendurch noch einmal einen Friedhofsstopp einlegen und meine Wasservorräte auffüllen. Außerdem suchte ich den Weg noch nach weiteren Sehenswürdigkeiten ab, fand aber keine. Dementsprechend wurde das Smartphone mit Hörspielen und einigen neuen Liedern bestückt ("Thick as Thieves" von The Temper Trap läuft teilweise in Dauerschleife, außerdem mal wieder alte QOTSA-Sachen).

Der Morgen von Tag 4 war dann für den Aufbruch bestimmt. Der Weg von der Insel runter gestaltete sich sehr zäh; es hat fast eine Stunde gedauert bis ich über die Brücke war. Aber darauf war ich ja zum Glück mittlerweile vorbereitet.

Viel Dörfer, durch die ich gefahren bin, hatten zwar eine weithin sichtbare Kirche, der zugehörige Friedhof war allerdings oft aufgelöst. Drei oder viermal bin ich deswegen umsonst angehalten; ein Ort war aber besonders malerisch bzw. stereotyp für die Region, weswegen ich ein paar Bilder geknippst habe.

Malerisches südfranzösisches Dorfbild N# 1.
Malerisches südfranzösisches Dorfbild N# 2.

Dann endlich entdecke ich auf einer Touristeninfo-Karte eines kleinen Ortes einen etwas außerhalb gelegenes Gräberfeld. Der Wasserhahn hier wurde wohl schon länger nicht mehr benutzt. Deshalb musste ich ihn erstmal saubermachen und habe dann eine Geschmacksprobe genommen. War ganz leicht chlorig, sonst aber absolut in Ordnung. Also schnell Wasser nachgefüllt und das Navi für die Weiterfahrt programmiert. Mittlerweile ist es auf den Friedhöfen so warm, dass unzählige Eidechsen über Mauern und Gräber huschen, und anscheinend nicht sonderlich viel Angst vor Menschen haben. Zum Fotografieren waren sie trotzdem zu schnell verschwunden.

Wie lange ich insgesamt nach Bordeaux gebraucht habe, weiß ich wegen der ganzen Zwischenstopps nicht mehr, mehr als vier Stunden waren es auf jeden Fall. Mein Ziel war wieder einer dieser Vororte, die mit der "Hauptstadt" des Ballungsgebietes ununterscheidbar verwachsen sind. Le Bouscat nannte sich die Stadt diesmal, mein Parkplatz befand sich auf dem Gelände des kommunalen Schwimmbads.

Weiter geht's mit meinem Reisebericht Bordeaux und Biarritz.