Po-Delta und Venedig

Po-Delta und Venedig

Mit ein wenig Glück in Ravenna wurde ich auf den Nationalpark Po-Delta aufmerksam gemacht und erholte mich ein letztes Mal unter der italienischen Sonne. Danach ging es auf zu meinem persönlichen venezianischen Finale.

Der letzte Nationalpark

Am nächsten Tag ging es dann wirklich ins Delta des Po-Flusses. Das Land hier war wie zu erwarten sehr flach und v.a. von der Landwirtschaft geprägt. Der Hauptort im Delta war Ca' Tiepolo. Die Touristinfo hatte am Montag zu, und so hielt ich mich nicht lange auf, kaufte nochmal ein bisschen im winzigen Supermarkt des Ortes ein, und machte mich dann auf die Stellplatzsuche. Ich wollte den Bus eigentlich irgendwo abstellen und dann mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren. Aber die auf der Karte der Berliner eingezeichneten Stellplätze kosteten entweder was oder waren schon geschlossen oder beides.

Eine große Bucht im Delta.

Also fuhr ich in gemütlichem Tempo nacheinander die kleinen Orte und Gehöfte ab, die es hier im Delta gibt, um mir einfach so einen Platz zu suchen. Dabei kam ich schließlich an die große Bucht im Süden (Name vergessen und grade zu faul nachzugucken... tut mir leid, aber ich tippe das grade schon wieder in Deutschland und hier herrscht ein demoralisierendes Wetter). Hier hielt ich immer mal wieder an um den Blick auf die Bucht zu genießen und ein paar Bilder zu machen. Nach einer Weile kam ich zu einer Art Vogelschutzgebiet mit Wanderwegen und Beobachtungsposten. Ich fotografierte schnell die Karte am Eingang und machte mich dann auf die Socken. Wie sich herausstellte hatte der Schilf hier den Kampf gegen alle Menschlichen Befriedungsversuche gewonnen und statt spannender, vielfältiger Lebensräume gab es nur noch eine mannshohe Monokultur. Vögel sah man außerdem auch keine; da habe ich auf meiner Autofahrt mehr gesehen. Vor allem für Reiher ist dieser Park ein Paradies.

Eingeschilftes Bötchen.

Nach einer dreiviertel Stunde machte ich mich auf den Rückweg zum Auto. Die Sonne schien, und durch den kurzen Ausflug in Ravenna hatte ich wieder Lust aufs Meer bekommen. Also verwarf ich meinen Fahrradfahrplan, suchte mir den nächsten eingezeichneten Strand auf der Karte und folgte der Straße bis an den südöstlichsten Zipfel des Deltas. Hier stellte ich mich auf den ziemlich verlassenen öffentlichen Parkplatz direkt vor einer riesigen Campinganlage und machte mich mit meinem hörspielbeladenen Handy auf den Weg zum Strand. Es war mehr als deutlich, dass auch hier die Saison längst vorbei war. Der Campingplatz hatte geschlossen, kleine Traktoren fuhren die mobilen Toilettenhäuschen in ihre Winterquartiere und die von den vielen Strandbars, die es hier einmal gegeben haben musste, waren nicht mehr übrig als ein paar große, kahle Baumstämme im Sand.

Manche Häuser entlang des Po-Armes, den man auf dem Weg zum Strand überqueren musste, schwimmen auf einem oder mehreren Booten.

Ich flackte mich in relativer Wassernähe an den Strand und ließ mir den Rest des Nachmittags die Sonne auf den Bauch scheinen. An Armen, Beinen und im Gesicht bin ich zwar jetzt so braun wie nie zu vor; mein Oberkörper konnte nicht ganz mithalten, was das Problem der Übergänge eigentlich nur um etlich Nuancen ins Dunkle verlagert hat. Naja, sei's drum.

Beim Abendessen nahm ich mein Tomatenexperiment wieder auf. In Ravenna habe ich mir grüne Tomaten gekauft, die aber nicht wirklich nach was schmeckten. Hier in Ca' Tiepolo gab es die mir aus Spanien bekannten; sie sind größer als normale Tomaten und haben so komische Rillen bzw. Vertiefungen ringsrum. Irgendwas mit "L" am Anfang. Geschmacklich schon weit näher an dem Overkill aus Spanien, aber leider nicht so intensiv... befürchte fast, dass die wirklich nur in Spanien so lecker sind.

Ein schöner Abschied von der italienischen Natur

Auch wenn ich jetzt landschaftlich insgesamt nicht so angetan war, wollte ich dem Delta doch noch eine Chance geben und den nächsten Tag am Hauptstrom selbst verbringen (bisher bin ich immer nur an den kleinen Armen entlang gefahren).

Ein riesiger Fremdkörper im Naturschutzgebiet. Für Lost-Places-Fotografen bestimmt spannend.

Wieder fuhr ich etwas planlos durch die kleinen Ortschaften Richtung Norden und dann ein Stück um eine altes Heizkraftwerk, dass hier mitten im Delta betrieben wurde. Die Straßen waren ziemlich eng — eigentlich nur einspurig — und die Ausweichmöglichkeiten eher spärlich, aber irgendwie ging es bei Gegenverkehr dann doch immer... sehr erstaunlich. Nach einer Weile auf der kleinen Straße am Flussufer ging folgte ich auf gut Glück einem kleinen Auto, das rechts in die Büsche bog. Und siehe da, hier war genug Platz zum stehen und man hatte einen wunderbaren Blick aufs Wasser.

Ich packte meinen Klappstuhl aus und schrieb wieder ein bisschen Berichte. Leider wurde von den vielen Fliegen und Mücken, die einen gleich belagerten, ziemlich unerträglich gemacht, und so wanderte ich den Rest des Tages immer vom Autoinneren nach draußen und wieder zurück; je nachdem ob ich die Hitze oder die Viecher nicht mehr aushielt. Apropos Mücken. Es ist nahezu unvermeidlich, dass man die kleinen Plagegeister im Auto mit sich herumfährt und so habe ich seit mehreren Wochen schon ein eher abgeklärtes Verhältnis zu ihnen entwickelt. Ich töte sie, wenn ich kann, aber lasse mir nicht die ganze Nacht von ihnen versauen; wenn sie gestochen haben geben sie ja meistens Ruhe und das Jucken geht nach ein paar Stunden wieder vorbei.

Noch einer der vielen schönen Sonnenuntergänge auf meiner Reise.

Der Sonnenuntergang über dem Nordufer des Po war ein würdiger Abschluss meines Aufenthalts im Nationalpark. Am Ende schien sie blutrot durch das Geäst der Bäume, während eine paar Reiher und ein Schwarm anderer Vögel über das Wasser hinwegzogen, wobei ihre Bäuche von der Reflexion der Sonne auf dem Fluss beschienen wurden. Sehr faszinierend und schön.

Auf in die Lagunenstadt

Am Mittwoch musste ich jetzt allerdings endgültig los. Zweieinhalb Tage hatte ich mir für Venedig vorgenommen, ohne genau zu wissen, wie ich diese nutzen würde. Auf dem Weg kümmerte ich mich noch einmal um Ab- und Frischwasser und folgte ansonsten brav der Strada Statale 309 Richtung Mestre. Diese war an einem Werktag sehr gut befahren und so konnte ich die meiste Zeit nicht mit 90 km/h fahren, da größere LKWs und die wieder verstärkt vorkommenden Kreisverkehre das nicht zuließen.

Mein Ziel weit ein Parkplatz in einem Wohngebiet zwischen Venedig und Mestre. Das Stadtgebiet ist heutzutage auch auf das Festland ausgeweitet und die beiden Städte eng verwachsen und so weiß ich immernoch nicht genau, wo ich stand. Auf jeden Fall war das Wohngebiet (Mehrfamilienreihenhäuser aus den 60er oder 70ern mit einer wunderbar scheußlichen braunen Fassade) ganz nett und es standen auch schon ein paar ältere WoMos meiner Nachbarschaft. Aus dem Internet und meiner App hatte ich erfahren, dass man die Tickets für den Bus (mit dem Rad wollt ich nicht über die lange Brücke nach Venedig fahren, hätte in der Stadt ja nicht wirklich was gebracht) am ehesten bei einem Kiosk in der Nähe bekommt. Leider hatte der natürlich gerade zu und es standen auch keine Öffnungszeiten dran. Also beschloss ich, das Ticket beim Fahrer zu kaufen, was doppelt so teuer wie vom Kiosk/einem Automaten sein sollte. Der Busfahrer war ziemlich angenervt davon, gab mir dann aber ein zerknautsches Ticket und 10 Minuten später war ich am Busbahnhof von Venedig.

Venezia

Wenn man die kilometerlange Brücke ignoriert, die ins Zentrum der Stadt führt, könnte man zumindest am Busbahnhof noch meinen, Venedig wäre eine relativ gewöhnliche Stadt. Zwar sieht man schon das Wasser der Kanäle, aber hier gehen sie durch die moderne und großflächige Bebauung noch eher als Flüsse durch. Nach ein wenigen hundert Metern ändert sich das allerdings schnell. Ich wanderte wieder bewusst ziellos drauf los (na gut, zur Rialtobrücke wollte ich irgendwann kommen) und ließ die Stadt erstmal auf mich wirken. Es war nicht ganz so viel los; nur scheinbar hatte Uni / die Schulen gerade geschlossen, was eine regelrechte Schwemme von Studenten erzeugte, die mir in den engen Gassen entgegenkamen. Überhaupt, wenn man Venedig zusammenfassen wollen würde, würde es wahrscheinlich auf Kirchen, Kanäle und Gässchen hinauslaufen. Die Sträßchen sind teilweise noch enger als am Mont-Saint-Michel und noch verwinkelter ist es allemal. Glücklicherweise sind die "wichtigen" Dinge wie Rialtobrücke, Markusplatz und Bahnhof an jedem größeren Platz ausgeschildert, sodass man sich trotzdem einfach zurecht findet.

Eine "normalbreite" Gasse in Venedig.
Neben den Postkartenmotiv-Kanälchen...
... gibt es auch unzählige schöne kleine Plätze in der Lagunenstadt.
In der Stadt dominieren natürlich die Schrottgeschäfte, wenn es um Souvenirs wie z.B. venzianische Masken geht. Dieses Foto beweist aber, dass das Handwerk des Maskenmachers noch ernsthaft betrieben werden kann.

Auch über Venedig weiß ich eigentlich nicht genau, was ich schreiben soll. Entweder ihr wart schon da und kenn die Schose bereits oder ihr wart wie ich noch nie da und müsst dementsprechend einfach mal selbst hinfahren. Ich habe zwar ein paar schöne Bilder geschossen, aber diese Perspektiven von romantischen Kanälchen und dem geschäftigen Treiben auf den großen Wasserstraßen kennt man eigentlich auch alle schon zu Genüge. Sie können nicht wirklich erzählen wie es sich anfühlt, durch diese Stadt zu wandern, die vielen Winkel, Plätzchen, Restaurants und Häuserchen zu entdecken und ab und an einem privilegierten Pärchen in einer der schwarzen Gondeln nachzusehen, wie sie sich durch die Gegend rudern lassen.

Eine typische schwarze Gondel. Das Bild wollte ich eigentlich machen um zu zeigen, dass die Boote leicht asymmetrisch sind, damit das einseitige Paddel einen gleichmäßigen Vorschub gibt, aber das sieht man wohl eher nicht.

Zum Thema Geruch kann ich zumindest für den späten September Entwarnung geben; natürlich stinkt es an manchen Stellen aber das war in Rom und v.a. in Paris noch viel schlimmer. Überhaupt glaube ich im Nachhinein, dass der Frühherbst eine ganze gute Zeit ist um nach Venedig zu kommen. Die Touristenmassen sind im vergleich zu einschüchternden Bildern aus der Hochsaison schon deutlich geschrumpft, aber die Geschäfte haben alle noch offen und warm ist es auch.

Rialtobrücke.
Blick von der Brücke auf den Canal Grande.

Eher durch Zufall kam ich dann tatsächlich am Canal Grande und der Rialtobrücke an. Das venezianische Wahrzeichen wird seit ein paar Jahren renoviert und so mussten die Touristen mit Behelfstreppen aus Holz und vielen eingerüsteten Geschäftchen Vorlieb nehmen. Entgegen meiner im Florenz-Bericht geäußerten Vermutung gibt es nämlich doch einige bebaute Brücken in Europa, worauf ihr mich auch über WhatsApp hingewiesen habt ;). Mein Spaziergang führte mich wieder in Richtung San Marco; hier wurde es dann schon wieder ziemlich verwuselt und man musste aufpassen, wo man hintrat.

Der schiefe Turm von Venedig.

Ich lief am Ostufer des Kanals Richtung Süden und begab mich noch schnell auf die Suche der berühmten Dachterrasse aus der Fernsehadaption von Donna Leons Commissario Brunetti. Für eine große Zahl deutscher Fernsehzuschauer ist diese Terrasse wohl eine Art Lebenstraum; auf Google Maps ist sie sogar als POI erfasst. Die Wohnung, die man in den Episoden von Innen sieht, gehört allerdings zu einem anderen Haus.

Die Dachterrasse.

Nach weiteren 15 Minuten stand ich dann endlich auf dem Markusplatz. Ein tolles Gefühl, auch wenn ich mich nach einer Weile lieber wieder in den menschenleerern Gässchen verkrümelt hätte; hier wollen nunmal alle hin. Ich schlenderte über den Platz und sah mir die Cafés mit ihren auf den Platz ausgelagerten Tischchen und Stühlchen an. Jedes Café beschäftigt eine eigenes, schick herausgeputztes Quartett, dass seine jeweiligen Gäste mit ein paar seichten Takten in ihrer Kommunikation unterstützt.

Markusplatz mit Campanile und Basilika.
Der Dogenpalast von der Südseite (Wasserseite) aus.

Ich setzte mich vor den Dogenpalast ans Wasser und ließ meinen Blick über die Ausfahrt des Canal Grande und die gegenüberliegende Insel Guidecca schweifen. Nach ein paar Minuten sprach mich ein Australier an, der anscheinend auch allein unterwegs war und auf der Suche nach Leuten war, die sich eine Gondelfahrt mit ihm teilten. Da eine halbe Stunde in so einem Ding in der günstigsten Konfiguration (ohne Gesang, nur Canal Grande) 80 € kostete, musste ich leider ablehnen. Wir unterhielten uns aber noch gute anderthalb Stunden über unsere jeweiligen Reisen und zukünftigen Ziele. Er war im Urlaub und arbeitete eigentlich als Ingenieur in London. Als die Sonne langsam unterging begrub er sein Gondelprojekt für diesen Tag und wir wollten noch ein Bier trinken gehen. Eine halbe Stunde lang zogen wir durch die Gassen hinter dem Markusplatz, aber irgendwie passte ihm keines der Lokale. Schließlich fragte er sogar in einem der Cafés am Markusplatz nach dem Preis für ein kleines Bier: 15€! Ich erzählte ihm von Studentenviertel im Stadtteil Dorsoduro, wo ich die Preise einigermaßen günstig fand. Wir wollten gerade aufbrechen, als er einer Gruppe Australier über den Weg lief; die gerade Richtung Gondeln zogen... ich sah, dass er sehr hin- und hergerissen war, und da ich eigentlich auch ziemlich müde war, begruben wir unser Projekt, wünschten uns noch einen schönen Abend und trennten uns.

Eine halbe Stunde später war ich dann auch wieder am Bus, kaufte die Ticktes für den nächsten Tag und fuhr wieder zurück zu HORA.

Insel-Hopping

Was ich am nächsten Tag machen wollte, war mir sehr schnell klar. Zwar kann man die sechs "klassischen" Stadtviertel von Venedig zu Fuß erreichen. Für die schon genannte Insel Guidecca, die Glasbläserhochburg Murano oder den berühmten Friedhof auf San Michele musste man allerdings übers Wasser. Die günstigste Möglichkeit war hier der sog. Vaporetto (heißt eigentlich Dampfer, obwohl da heutzutage natürlich nichts mehr dampft), der venzianische Wasserbus. Überall in der Stadt gibt es die weit sichtbaren Anlegenstellen mit ihren leuchtend gelben Streifen. Dabei ist das Preismodell sehr fair wie ich finde; umso länger man in Venedig bleibt, umso günstiger wird es. Von 7,50 für eine Einzelfahrt bis hin zur 60 Euro für eine Wochenkarte hat man ein relativ starkes Preisgefälle. Eine 24-Stunden-Karte kostete 20€, für die entschied ich mich.

Ich wollte die Inseln im Uhrzeigersinn abfahren, wobei ich viele mögliche Anlegestellen wie z.B. Burano, Le Vigniole oder den berühmten Lido die Venezia ausließ; dafür war einfach keine Zeit und ich wollte immernoch etwas haben, was entdeckt werden konnte, wenn ich noch einmal in die Stadt komme. Mein erstes Ziel war Murano. Wenn die Vaporetti durch die Kanäle fahren kann man die Fahrt mit einem langsamen Bus vergleichen; in der offenen Lagune allerdings merkt man den Seegang schon recht deutlich. Ich war froh, dass die Fahrten jeweils nicht so lang waren; an Land angekommen schwankt man nämlich immer noch ein bisschen nach.

Kanalansicht Murano.

In Murano schlug ich nicht den Weg am zentralen Kanal ein, sondern wanderte am Ufer entlang weg von den Touristenströmen. Das mache ich meistens so; und nicht immer bringt mich das in eine vorteilhafte Situation. Diesmal hatte ich allerdings Glück, weil ich so zu einer Glasbläsermanufaktur mit kostenlosem "Show-Blowing" (sehr zweifelhafte englische Übersetzung...) kam. War ganz cool zu sehen und natürlich schleiften sie einen am Ende in den Verkaufsraum. Manche Sachen gefiehlen mir auch wirklich gut, aber leider war venezianisches Glas für meinen Geldbeutel nicht erschwinglich.

Die muranischen Glasbläser bei der Arbeit. Zur "Show" machen sie leider nur hässliche Gockel, die Teller und Gläser im Verkaufsraum waren viel hübscher.

Im Glasbläserviertel merkt man auch, dass es hier wirklich Menschen gibt, die ernsthaft in so einem Paradies leben. Die Häuser sind aus den 50ern und eher funktional als hübsch; die Leute normal angezogen und gehen mit ihren Hunden Gassi oder jäten Unkraut im kleinen Vorgarten. Die Venezianer auf den Hauptinseln habe ich bis dahin immer nur mit Maßanzug bzw. Kostüm, Zigarre, Sonnenbrille und protzigen Uhren gesehen.

Es ging zurück zum Hauptkanal, wo ich noch eine weile an den zahllosen Glasgeschäftchen vorbeilief und meine Apfel-Käse-Brötchen mit Blick auf die Lagune verdrücken konnte. Außerdem musste natürlich noch die Hauptkirche von Murano besichtigt werden.

Die Chiesa dei Santi Maria e Donato, ein repräsentativer, mittelalterlicher Nachbau des Originals aus dem 6. Jahrhundert.
Hinter dem Altar hängen vier riesige Rippenknochen; angeblich von einem Drachen, den St. Donatus in Griechenland tötete. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um Knochen von prähistorischen Säugetieren handelte (Stichwort: Riesenfaultier). Die Kirche hat sie aber bisher nicht zur Untersuchung freigegeben — es geht eben nichts über eine gute Legende.

Danach ging es zurück zur Vaporetto-Anlegestelle und mit dem nächsten Boot Richtung Friedhofsinsel. Es gibt verschiedene Vaporettotypen und auf den meisten ist es mir wegen meiner Größe unmöglich, unter Deck zu stehen. Das hat natürlich Vorteile bei schönem Wetter, weil die kleineren Leute netterweise auf dem oberen Deck Platz machen, wodurch man sich seine Umgebung besser angucken kann.

Ablegen von Murano.

San Michele hat einen rechteckigen Grundriss und ist einmal fast komplett ummauert. Auf Grund des Platzmangels werden die Leute für ein paar Jahre in normalen Gräbern bestatten und dann in solche Betonkästen wie in Frankreich und Spanien umgebettet. Insgesamt gibt es verschiedene Abschnitte, die jeweils von eigenen Friedhofsarchitekten "designt" wurden. Naja, war auf jeden Fall ganz nett zu sehen. Außerdem sind hier die Toiletten kostenlos ;) im Rest von Venedig muss man immer 1,50 zahlen.

Ummauerte Friedhofsinsel San Michele.
Der evangelische Friedhof ist ziemlich verwahrlost. Hier wurde schon lange niemand mehr beerdigt.
Auch die eine oder andere Berühmtheit liegt hier begraben.

Die längste Vaporettofahrt auf offener (Lagunen-)See brachte mich dann wieder zurück auf die Hauptinseln, in den Norden das Arsenal. Diese für — neuzeitliche Verhältnisse — riesige Werft machte zeitweise ein Zehntel des venezianischen Stadtgebiets aus und konnte dank hochspezialisierter Zuliefererindustrie, standartisierter Teile und optimierter Prozessstrukturen in Stoßzeiten 7-9 große Galeeren pro Tag bauen. Wohlgemerkt vor 400 Jahren. Bis heute ist die Anlage im Besitz des Militärs und das MOSE-Projekt, ein gigantisches System von Wehrtoren, welches Venedig vor dem berüchtigten aqua alta im Herbst schützen soll, hat hier seinen Sitz.

Der Eingang des Arsenale; einmal Landtor, einmal Seetor.

Der Ausstieg bei Arsenale Nord war nicht ganz so intelligent gewählt; weil mal erst umständlich um die lange Mauer herumlaufen muss, die das Areal vom Rest der Stadt trennt. Schließlich kam ich aber doch an den alten Eingangstoren an und war nach wenigen hundert Metern am der langen Uferpromenade, die wieder Richtung Markusplatz führte. Hier nahm ich den Vaporetto zur Guidecca und lief auch hier v.a. den langen Boulevard am Canale della Guidecca entlang. Durch diesen Kanal müssen auch die ganzen Fähren und Kreuzfahrtschiffe, die von der Adria aus in den Hafen von Vendedig im Westen einlaufen wollen. Ein eindrückliches Bild ist das, wenn sich so ein Pott langsam vor dem Dogenpalast vorbeischiebt.

Uferpromenade Richtung Markusplatz.
Die Votivkirche Santa Maria della Salute wurde als Dank für das Ende der Pestepidemie 1630 in Auftrag gegeben. Bei dieser Pestwelle starben fast ein Drittel der damaligen Einwohner.

Dann ging es wieder nach Dorsoduro zur Basilica di Santa Maria della Salute, die Kirche, die teilweise nach dem Vorbild von San Vitale in Ravenna gebaut worden ist. Auf gewundenen und ziemlich vollen Wegen kam ich dann am Ende wieder am Markusplatz an und machte mit Herakles ein paar Bilder. In Italien war er im Gegensatz zu Frankreich und Spanien fast in jeder Stadt dabei und hilft mir ein bisschen, die fehlenden Bilder von mir zu kompensieren. Ich bin kein Selfie-Schießer und es ist mir persönlich nicht wichtig, ob ich Bilder von mir in Venedig, Rom oder Paris habe. Herakles dient dafür ein bisschen als Alter Ego.

Apropos Alter Ego: Eines der Nobelcafés am Markusplatz. Der lebendige Flo konnte da auf Grund seines Aufzugs eher nicht rein.

Mein Lunchpaket war leer und es ging stark auf Abend zu, also nahm ich vom Markusplatz aus die Linie 1 den Canal Grande aufwärts Richtung Busbahnhof. Vom Zeitaufwand macht das keinen Sinn, da das Schiff immer zwischen Anlegern auf beiden Seiten des Kanals hin- und herkreuzt ist man zu Fuß schneller am Ziel. Aber man fährt auf der bekanntesten Wasserstraße Venedigs und hat somit einen super Blick auf die Rialtobrücke und die prächtigen Palazzi am Ufer. Im Sonnenuntergang war das Ganze natürlich besonders reizvoll und bildete einen schönen Abschluss des zweiten Tages.

Die alten venezianischen Paläste sind heute häufig zu Hotels oder Kunstgallerien umfunktioniert.
Herakles fährt Vaporetto.
Und nochmal ein Kanalbild. Weil's so schön ist.

Venezianische Museen

Am dritten Tag wollte ich eigentlich noch den letzten Rest meines 24h-Vaporetto-Tickets nutzen um noch einmal möglichst weit in den Osten zu kommen und die Stadt so noch einmal zu erlaufen. Leider verpasste ich den entsprechenden Bus in die Stadt. Deswegen wurde in Richtung Museen umgeplant; im Dogenpalast und in der Basilica San Marco war ich ja auch noch nicht. In den Dogenpalast kommt man nur mit einem Kombiticket für drei weitere Museen... der Tag war also ziemlich voll. Hier noch ein paar Bilder.

Der Markusdom ist durch das viele Gold und Braun in seinem Inneren extrem dunkel; ein starker Kontrast zu seiner hellen Fassade. Man überall erkennt man den starken ostkirchlich-byzantinischen Einfluss, dem Venedig in seiner Frühzeit noch ausgesetzt war.
Der Innenhof des Dogenpalastes.
Die Scala dei Giganti. Mars und Neptun wachen hier mit Argusaugen über potentielle Feinde der Republik.
Der Versammlungsraum des großen Rates, des formalen Zentralgremiums der Republik Venedig. Alle Aristokraten waren hier versammelt. Der große Rate ist in Kompetenz und Entwicklungsgeschichte noch relativ einfach zu verstehen — im Gegensatz zu den unzähligen anderen Instanzen, die im Laufe der Jahre ein kompliziertes System aus checks and balances entwickelten und ständig miteinander konkurrierten.
Die Seufzerbrücke, von der die im Gericht Verurteilten sofort ins Gefängnis oder zur Hinrichtungsstätte geleitet wurden. Das venezianische Rechtssystem hatte dabei zwei zentrale Grundsätze: Effizientes und schnelles Arbeiten und den Schutz der Privilegien des Adels. Das mit der Gerechtigkeit rangierte eher unter ferner liefen.
Letzter Ausblick eines "Seufzers" auf die Freiheit der Lagune.
Zwei Kuriositäten aus dem Museo Correr, weil ich die italienischen Infotexte zum größten Teil nicht mehr verstand: 1. Plateaus aus 1600.
Täuschend echte Krebse aus Blei/Bronze, die als Tintenfass dienten. So dekadentes Zeug gibts in dieser Sammlung oft.

Nach den letzten, eher öden Trakten des Museo Correr war ich dann ziemlich ausgelaugt und ging ein letztes Mal über den Markusplatz zum Wasser. Venedig war, wenn auch nicht der krönende (dafür gab es viel zu schöne Momente in den letzten zwölf Wochen), so doch ein würdiger Abschluss meiner Reise. Auf dem Rückweg zum Auto gönnte ich mir noch eine letzte Kugel italienisches Eis, irgendwas mit der Crema des Dogen; karamellig und granatapfelig war's. Mit der Busfahrt aus der Stadt ging für mich auch innerlich irgendwie ein Kapitel zu Ende; jetzt hieß es nur noch zurück nach Deutschland zu kommen und meine Freunde zu besuchen.

Natürlich gehts auch hier nicht weg ohne Sonnenuntergang.

Weiter geht's mit meinem letzten Reisebericht.